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■ Antirassistische SchulbildungEs geht auch anders

Lange hat in den Niederlanden das Klischee bestanden, daß vor allem ältere Bewohner in alten und verkommenen Stadtteilen für rassistische Parteien stimmen, um so ihre Unzufriedenheit über den Niedergang ihres Kiezes auszudrücken. Die Kommunalwahlen vom 2. März haben allerdings gezeigt: Die rassistischen Parteien haben ihren Anhang vervielfacht, aber unter Älteren nahm ihre Popularität ab. Statt dessen haben sechs Prozent der 18- bis 24jährigen für die größte rassistische Partei in den Niederlanden, die „Centrumdemokraten“, gestimmt.

Eine Ursache dafür ist, daß junge Leute schon sehr früh in den Medien, von ihren Eltern oder in der Schule stereotype Bilder vermittelt bekommen. Es geht schon mit den Büchern los: Indianer wohnen in Wigwams und sind streitlustig, Schwarze liegen lieber unter dem Bananenbaum, als zu arbeiten. Ausländer werden nicht als Individuen gesehen, sondern als Mitglieder einer Gruppe, die anders ist und die der Sündenbock ist für alles, was in einem Land schiefgehen kann, von Arbeitslosigkeit bis Wohnungsnot. Schulunterricht kann und sollte eine aktive Rolle spielen bei der Bekämpfung von Vorurteilen. Viele Lehrer sind guten Willens, aber wissen nicht, wie sie auf die multi- kulturelle Gesellschaft eingehen sollen. Das meiste Lehrmaterisal spiegelt immer noch eine Gesellschaft ohne Ausländer wider, die in der Wirklichkeit gar nicht besteht. Die Anwesenheit von Kindern verschiedener Herkunft in den Schulen wird ignoriert oder dermaßen überbetont, daß es einen negativen Beigeschmack bekommt.

Das Anne-Frank-Haus hat sich auf die Entwicklung von neuem Lehrmaterial (Bücher, Hefte, Videos) spezialisiert. Einerseits bietet die Geschichte von Anne Frank selber zahllose Anhaltspunkte, um Antisemitismus und Rassismus zu besprechen. Andererseits wird Lesematerial entwickelt, das unter dem Motto „Das sind wir“ die heutige buntgemischte Gesellschaft zum Ausgangspunkt nimmt und vorstellt. Kinder verschiedener Herkunft kommen zu Wort. Nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten stehen dabei im Mittelpunkt. Immer mehr Anfragen erreichen uns auch aus Deutschland – inzwischen werden Seminare für deutsche Lehrer organisiert, auch die ersten Lehrpakete sind auf Deutsch erhältlich.

Lehrer sind keine Wunderdoktoren, die Fremdenhaß und Gewalt von heute auf morgen wegwischen können. Aber sie können eine große Rolle spielen in der Vermittlung von Gleichwertigkeit, gleichen Rechten und positiven Erfahrungen in einer multikulturellen Gesellschaft. Worum es geht, ist deutlich zu machen, daß es auch anders geht. Marja Verbraak

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