Antigua und Barbuda: Mango statt Mandela
Ihren Traumjob beim Fernsehen in Kanada warf Mitzi Allen weg und schuf sich dann auf Antigua ihr eigenes kleines Medien-Imperium – mit permanentem Meerblick.
Was es letztendlich war, das ihr Leben verändert, auf den Kopf gestellt und einmal auf links gedreht hat, das weiß Mitzi Allen gar nicht mehr so genau. „Ist ja auch schon mehr als 20 Jahre her“, sagt sie und schaut aufs Meer. „Und überhaupt: Den einen, den einzigen Grund – den gab es nicht.“
Das allgegenwärtige Meer um Antigua herum wird seine Rolle gespielt haben, als sich Mitzi Allen entschlossen hat, auf der Insel zu bleiben. Es gibt reichlich davon hier am Fort James, das auf einer kleinen Landzunge liegt. Mitzi sitzt auf der Terrasse vor Russell’s Bar & Seafood Restaurant, es ist eines der beliebtesten Lokale der Insel.
Sie erzählt davon, dass sie hier geboren ist und mit ihren Eltern fortzog, nach Toronto, Kanada, da war sie sieben. Wie sie langsam vergessen hat, was Antigua ist. Das Wasser zum Beispiel, das hier in mehreren Sorten blau in der karibischen Sonne schimmert, von Helltürkis bis Tintendunkel.
Der Geruch von Mangos und Tamarinden, die hier an jeder Ecke wachsen. Natürlich die Sonne, das gemächliche Tempo, in dem das Leben auf dieser Karibikinsel fließt. All das spielte keine große Rolle mehr für Mitzi, bevor sie 1991, damals 28 Jahre alt, Urlaub auf der Insel machte, die mal ihre Heimat war.
Anreise: Condor fliegt jeden Montag von Frankfurt nach Antigua. Preise je nach Saison ab ca. 450 Euro
Übernachten: Hotels gibt es von luxuriös (wie das Sandals an der Dickenson Bay) über Mittelklasse (das Jolly Beach Ressort mit Traumstrand) bis zur kleinen Pension (das Ocean Inn im entzückenden English Harbour). Weitere Infomationen gibts unter www.antigua-barbuda.de und in England bei der Antigua and Barbuda Tourism Authority, Victoria House, 4th Floor, Victoria Road, Chelmsford, Essex CM1 1JR, United Kingdom, Tel.: (00 44) 1 24 57 07 471, tourisminfo@aandbtourism.com
Restauranttipp: Unbedingt Red Snapper in Russells Bar & Seafood Restaurant essen (Fort James, Telefon (2 68) 4 62-54 79) - super Essen in toller Lage über dem Meer.
Der besondere Tipp: Barbecue in Shirley Heights: Hoch über dem Meer bei Nelsons Dockyard im Süden der Insel feiert man jeden Sonntag ab 15 Uhr eine große, ausgelassene Grillparty - es wird gegessen (selbstverständlich auch "Susies Hot Sauce") und getanzt, zuerst zu einer Steelband, ab 18 Uhr zu Reggae.
Mitzi Allen war eine Fernsehjournalistin, „und ich war gerade total auf der Überholspur“. Direkt nach dem College hatte sie ein Sender vom Fleck weg als Reporterin engagiert, „mein Highlight war die Berichterstattung vom Hurricane ’Gilbert‘ 1987“, sagt sie. Ein Sprungbrett für höhere Aufgaben: CFMT-TV, damals Kanadas größter privater Fernsehsender, warb das Fernsehtalent ab.
„Für die durfte ich dann 1991 vom ersten Besuch Nelson Mandelas in Kanada berichten“, sagt sie, „definitiv das Größte, was ich erlebt habe.“ Sie machte ihre Sache ziemlich gut. Der Sender trug ihr einen Traumjob an: Anchorwoman der Nachrichten zur besten Sendezeit. Mitzi sagte zu. Und fuhr erst einmal in Urlaub.
Der dringende Wunsch, etwas aufzubauen
Es gibt diese Momente, in denen einem bewusst wird, dass irgendetwas im Leben nicht stimmt, und wenn es von außen noch so gut aussieht. Mitzi hatte eine Reihe dieser Momente während ihrer Ferien. „Es war so unglaublich schön hier“, sagt sie, „und ich spürte, dass ich wieder in Verbindung mit meinen Wurzeln kam. Außerdem hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich auch beruflich eine ganz andere Herausforderung brauchte. Ich wollte mit meinem Know-how hier etwas aufbauen.“
Und deshalb fuhr sie nach Toronto und kündigte. Packte ihre Sachen, kam zurück nach Antigua und produzierte Nachrichtensendungen für einen unabhängigen Fernsehsender. Moderierte im Radio. Schrieb für eine Zeitung. Und bildete nebenbei junge Journalisten aus. Es war alles provisorisch, es war unfertig, es war chaotisch. Mitzi war glücklich.
Stephan Bartels, geboren 1967 in Hamburg, ist freier Journalist. Seit nunmehr 15 Jahren arbeitet er vor allem und gern für die Brigitte. Dort gehört ihm die Musikseite, er schreibt Porträts, Psycho-Geschichten, Reiseberichte und bekleidet den inoffiziellen Posten des Ressortleiters Fußball.
Antigua macht es einem leicht, sich gut zu fühlen. Sie gilt als eine der freundlichsten, entspanntesten Inseln in diesem Teil der Welt, der ja ohnehin nicht für übertriebene Hektik bekannt ist. Und Antigua ist ein überschaubares Stück Karibik. Knapp 85.000 Menschen leben hier, die Insel ist 15 Kilometer lang und 20 breit, die Fläche entspricht etwa der des Stadtgebiets von Dortmund.
Traumstrände auf Barbuda
Zum Staatsgebilde gehört das weit kleinere Barbuda, ein paar Flugminuten nördlich, wo es sehr wenige Menschen gibt und spektakuläre Strände, die rosafarben schimmern. Bis 1981 gehörten Antigua und Barbuda zu Großbritannien, seitdem ist es unabhängig von der britischen Krone und mit relativem Wohlstand gesegnet.
Der soll bösen Gerüchten (und Recherchen eines amerikanischen Journalisten) zufolge auch daher rühren, dass hier früher mal kolumbianisches Drogengeld gewaschen wurde und der US-Geheimdienst Waffengeschäfte über Antigua abgewickelt hat. Aber darüber spricht hier niemand. Im Süden wird noch ein bisschen Zuckerrohr angebaut, ansonsten sind es vor allem amerikanische und britische Touristen, die Geld ins Land bringen.
Die Tourismusbehörde Antiguas wirbt schließlich auch enthusiastisch damit, dass es auf der Insel 365 Strände geben soll, einer für jeden Tag des Jahres, einer schöner als der andere („Mein liebster ist Fryes Bay im Süden der Insel“). „Ich glaube nicht, dass das mal jemand nachgezählt hat“, sagt Mitzi.
Segeregatta und Chricket
Jedes Jahr im April steigt mit der Antigua Sailing Week eine der wichtigsten Segelregatten der Welt. Oprah Winfrey, Eric Clapton, Georgio Armani und Robert DeNiro haben Häuser auf der Insel. Der berühmteste Staatsbürger von Antigua and Barbuda ist Sir Vivian Richards, ein Ex-Cricket-Spieler und weltbekannt – jedenfalls in dem Teil der Welt, der weiß, was Cricket ist. Das Nationalstadion ist nach ihm benannt.
Mitzi hat ihre Lieblingsplätze auf der Insel. Das Russell’s am Fort James im Norden gehört dazu, sie sitzt ja gerade hier. Denis’ Bar an ihrem Lieblingsstrand. „Und für die Sonnenuntergänge fahre ich gern nach Shirley Heights“, sagt sie. Es ist der vielleicht spektakulärste Platz der ganzen Insel. Der Shirley Heights Lookout ist ein ehemaliger Militärposten, 150 Meter über Nelson’s Dockyard gelegen. Der Ausblick da oben setzt allen karibischen Postkartenklischees die Krone auf.
Russell Hodge, der im letzten Jahr verstorbene Besitzer der Bar am Fort James, hat 1981 damit begonnen, die Militäranlagen zu restaurieren und umzuwidmen: Im alten Wärterhaus oben über der Bucht ist jetzt ein Restaurant. Und das ist das Zentrum des beliebtesten Partystandpunkts der Insel.
Manchmal gibt es Ärger im Paradies
Immer sonntags treffen sich hier Einheimische und Touristen zum Barbecue, mit Steel Band am Nachmittag und Reggae am Abend. Friedlich ist es, fröhlich, ausgelassen, lecker: Es gibt Hähnchen und Fisch, gewürzt auf diese besondere, fruchtig-scharfe kreolische Art. Wenn es so etwas wie einen karibischen Traum gibt: Sonntagnachmittag wird er hier gelebt.
Manchmal gibt es auch Ärger im Paradies. Zwischen zehn und 16 Morde pro Jahr gibt es auf der Insel. Meist sind es Konflikte unter den Einheimischen, davon bekommen Touristen in der Regel nicht viel mit. Aber als 2008 ein walisisches Paar in den Flitterwochen in seinem Hotelzimmer überfallen und ermordet wurde, hat das Antigua empfindlich getroffen. Zum einen, weil man so etwas nie für möglich gehalten hatte. Zum anderen, weil gerade britische Touristen eine Zeit lang einen Bogen um Antigua machten.
Der Wohltäter im Gefängnis
Ein weiteres Mal geriet der Kleinstaat im Meer in die Schlagzeilen, als ihm sein Hauptgeldgeber abhanden kam. Der texanische Unternehmer Allen Stanford, der seinen Firmensitz auf der Insel hatte und Antiguas Wohlstand deutlich mehrte, wurde 2009 angeklagt, mehrere Investoren um etwa sieben Milliarden Dollar betrogen zu haben. Der vermeintliche Wohltäter sitzt nun für 110 Jahre im Knast in Texas.
„Das hat die Insel wirtschaftlich schwer getroffen“, sagt Mitzi, „einige der vielen Stanford-Angestellten sind in den Staatsdienst übernommen worden, andere nach Nordamerika ausgewandert – so wie meine Eltern damals.“ Ob die Regierung, die den Betrüger lange hofiert hat, noch einmal wiedergewählt wird, steht in den Sternen.
Mitzi Allen selbst hat ein gut laufendes Geschäft. Hama Productions heißt ihre Firma, das steht für "Howard And Mitzi Allen". Sie hat diesen Howard kurz nach ihrer Ankunft auf Antigua kennengelernt. Er war Techniker bei jenem Fernsehsender, „die Ein-Mann-Produktions-Abteilung“, sagt sie. Es ging schnell mit den beiden, seit 20 Jahren sind sie jetzt schon verheiratet. Und Geschäftspartner.
Sie haben 2001 den ersten Spielfilm gedreht, der jemals von Einheimischen der Westindischen Inseln produziert wurde. „The Sweetest Mango“ hieß er, eine romantische Komödie mit viel Inselflair, der die Mitzi-trifft-Howard-Story nacherzählt.
Ausbildung für Produzenten
„War ein ziemlicher Erfolg hier“, sagt Mitzi. Inzwischen wird die Firma aber auch jenseits der 365 Strände wahrgenommen. Vier Filme hat Hama inzwischen produziert, der letzte lief sogar auf Filmfestivals in Kanada und New York. „Außerdem schulen wir junge Fernsehschaffende kreuz und quer durch die Karibik“, sagt Mitzi, „in 16 Ländern haben wir schon Produzenten ausgebildet.“
Gerade die Frauen in der Karibik seien es, die ambitioniert sind und getrieben vom Willen, sich etwas aufzubauen, sagt Mitzi. Sie sei da eher die Regel als die Ausnahme. Und sie ist ein Beispiel dafür, dass es sich lohnen kann, einen Traumjob in den Medien einfach wegzuwerfen und sich einen anderen zu basteln – und zwar in einer traumhaften Gegend.
Mitzi Allen ist 49 Jahre alt, sie sieht locker fünfzehn Jahre jünger aus, das Leben hier meint es in vielerlei Hinsicht gut mit ihr. „Ich habe nicht eine Sekunde bereut, dass ich Toronto verlassen habe“, sagt Mitzi, „ich konnte hier immer meiner Leidenschaft folgen. Und habe auch noch die Liebe gefunden.“ Sie grinst. „Mein Leben“, sagt sie schließlich, „ist rappelvoll.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen