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Antifaschisten in Neukölln

■ Dokumentation über den Widerstand in einem Arbeiterbezirk während der Zeit des Nationalsozialismus / Ein Schwerpunkt: die Bekennende Kirche

Neukölln. Der vierte Teil einer umfassenden Untersuchung über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Jahren 1933-45 in Berlin wurde gestern im Rathaus Neukölln vorgestellt. Hans-Rainer Sandvoß dokumentiert im Rahmen der von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand herausgegebenen Publikationsreihe den Widerstand in Neukölln. Die drei bisher erschienenen Bände waren den Bezirken Wedding, Steglitz/Zehlendorf und Spandau gewidmet. Mit jeder Neuerscheinung vervollständigt sich das Bild Berlins als Zentrum des Widerstands gegen das NS-Regime. Überdies lädt das ausführliche Straßen- und Namensverzeichnis im Anhang jeder Broschüre den Leser ein, den Spuren der Vergangenheit auch im Stadtbild zu folgen.

Die neue, reichbebilderte und fast dreihundert Seiten umfassende Dokumentation entwirft ein sehr breit gefächertes und dabei detailliertes Bild der unterschiedlichen Widerstandsgruppen und -aktivitäten. Wie Bezirksbürgermeister Bielka hervorhob, ist es angesichts des hohen Anteils an Wählerstimmen für die „Republikaner“ wichtig, auf die demokratischen Traditionen Neuköllns hinzuweisen.

Umfangreiche Kapitel sind, wie im traditionellen Arbeiterbezirk Neukölln zu erwarten, dem sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Widerstand gewidmet; einen weiteren Schwerpunkt bildet die Bekennende Kirche. Doch auch Gruppierungen, die in Neukölln nicht stark vertreten, und Menschen, die nicht eindeutig politisch zuzuordnen waren, finden Beachtung. Unter der Überschrift „Schüler und Lehrer im Widerstand“ berichtet der Autor beispielsweise von der Neuköllner Karl-Marx-Schule mit ihrem Leiter Dr. Fritz Karsen. Durch seine bahnbrechende Reformpädagogik vermittelte er den jungen Menschen demokratische Werte, die sie befähigten, dem NS-Regime zu widerstehen.

Wichtige Grundlage für die Dokumentation war die Befragung von über 50 Zeitzeugen. Ihre Aussagen sind in der Broschüre deutlich herausgehoben, und doch ist es gelungen, sie in den Text einzubinden. Diese Art der Darstellung ist lebendige Geschichtsschreibung, die das Interesse eines breiten Publikums zu wecken vermag.

Widerstand in Neukölln ist kostenlos in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13-14 in 1-30, und in der Bürgerberatung im Rathaus Neukölln erhältlich. Die Reihe wird fortgesetzt.

Gunda Bartels

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