Antifa-Comic gegen Schwarz-Rot-Gold: Fußball ohne nationalen Scheiß
Mit einem Comic zeichnen Autonome gegen Deutschtümelei während der Fußball WM an - und gegen einen Comic des Staates. Humor fehlt gleichsam beiden Seiten.
Fußball ohne "nationalen Scheiß", nichts wünschen sich die beiden Freundinnen Mandi und Büsra sehnlicher. Doch auf der Fanmeile in der eigenen Stadt finden die Heldinnen des linken Comics "Mandi" das genaue Gegenteil: Zwischen Deutschlandfahnen und Fangesängen werden sie von einer Gruppe Fans rassistisch beleidigt und müssen sich dafür rechtfertigen, warum sie nicht Schwarz-Rot-Gold auf der Wange tragen. Als sie schließlich angewidert das Weite suchen, bekommen sie noch ein "Frauen haben im Fußball eh nix verloren" hinterhergerufen."
So weit, so Klischee. In ihrem Comic warnt die Antifa Gruppe 5 aus Marburg vor rassistischem und sexistischem Party-Patriotismus während der Fußball-WM. Und: Die AutorInnen möchten so gern mit den Andi-Comics des Nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes abrechnen, die Jugendliche über Extremismus aufklären sollen. Nachdem der Inlandsgeheimdienst in den ersten beiden Ausgaben Rechtsextremismus und Islamismus thematisierte, waren in der dritten Ausgabe die Linksautonomen an der Reihe.
Linke und Nazis wurden in dem Machwerk kurzerhand gleichgesetzt. "Die reden voll den gleichen Quark und aussehen tun sie auch gleich", stellen Andi und seine Freunde nach einer verbalen Auseinandersetzung von Linken und Nazis pflichtschuldig fest.
Diese Gleichsetzung verharmlose die Nazi-Ideologie und verkenne die politischen Ziele der Linken, schreiben die Antifas im Comic. Und: "Andi ist ein Idiot".
Das ist nun keine besonders originelle Entgegnung auf die Holzschnitt-Realität in den Bildchen der Überwachungsbehörde. Und so geht es auch weiter: Statt eine böse Satire auf die verschwiemelte Hofmalerei aus Nordrhein-Westfalen abzuliefern, begnügen sich die AutorInnen damit, eins zu eins die plumpe und humorlose Rhetorik der Verfassungschützer zu kopieren.
Gemischt wird das mit von Demos bekanntem Sprech über Nationalismus und Patriotismus - im Comic als Aufsätze nachzulesen. Deutschland-Fans sind sämtlich Charakterschweine und werden auf ihre negativsten Eigenschaften reduziert. Wie beim staatlichen Gegenüber ist auch hier die Schwarz-Weiß-Malerei Programm.
Und was mit einem Klischee begann, muss in diesem Werk autonomer Staatskunst auch mit einem Klischee enden: Nach ihrem traumatischen Erlebnis auf der Fanmeile findet Mandi plötzlich zu einem Fußballturnier auf dem Bolzplatz, an dem nicht nur MigrantInnen, sondern auch Frauen teilnehmen dürfen. Die Moral von der Geschicht: Mandi lässt sich den Spaß am Fußball nicht nehmen und findet am Ende das, was sie die ganze Zeit gesucht hat. Fußball ohne nationalen Scheiß. Andi ging übrigens zum Basketball. Das ist der Unterschied.
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