Anti-Hartz-IV-Proteste: Heiße Luft statt heißem Herbst
In Berlin demonstrieren Tausende gegen Hartz IV. Es ist ein Treffen der letzten Montagsdemonstranten. Gewerkschaften und Linkspartei fehlen.
BERLIN taz | Es war wie ein Klassentreffen der letzten, über die Republik versprengten Montagsdemonstranten. Anti-Hartz-IV-Aktivisten aus ganz Deutschland versammelten sich am Samstag in Berlin zu ihrer siebten Herbstdemonstration "gegen die Regierung". 7.000 waren gekommen, so die Veranstalter: "Ein Erfolg". Die Polizei zählte nur 1.800.
Einem Urteil der Verfassungsgerichts folgend hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung die Sätze für Hartz-IV-Empfänger im September um 5 Euro erhöht. Linkspartei und Sozialverbände zeigten sich empört, der Deutsche Gewerkschaftsbund sprach von einer Demütigung.
Doch weiter reichte die Solidarisierung nicht. Fred Schirrmacher, Berliner Montagsprotestler der ersten Stunde, beklagt am Samstag die fehlende Unterstützung von Parteien und Gewerkschaften. Diese hatten nicht zur Demo aufgerufen. "Die Gewerkschaften machen sich zu Arbeiterverrätern, einen heißen Herbst gibt es so nicht", so Schirrmacher. "Bei der Linken stellt sich die Frage, wie ernst sie Opposition wirklich meinen." Ausgeteilt wird auch gegen SPD und Grüne: "Unerträglich" sei es, so eine Rednerin, dass sich heute "die als Anti-Hartz-IV-Parteien darstellen, die uns diese Schweinerei eingebrockt haben".
Aus Mannheim, Chemnitz, Kassel, Aschaffenburg und Gelsenkirchen reisten nur jene nach Berlin an, die sich nach der Hochphase der Montagsdemonstrationen 2004 noch allwöchentlich auf ihren Marktplätzen versammeln. "Fünf Euro mehr Hartz IV sind ein menschenverachtender Hohn", schimpft Birgit Kühr aus der Uckermark. Ein Redner macht Mut: "Unsere Montagsdemos halten die Wut am Kochen. Dank uns ist Hartz IV die unbeliebteste Reform seit Jahrzehnten."
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