Anti-AfD-Petition in Niedersachsen: Verbote können Leben retten
Über 10.000 Bürger*innen fordern Niedersachsens Regierung auf, sich für ein AfD-Verbot einzusetzen. Ein Angriff in Gifhorn zeigt: Das täte not.
M anchmal müssen die Bürger*innen ihre Politiker*innen zum Jagen tragen. Dafür ist die Petition, die am Mittwoch in den niedersächsischen Landtag eingebracht wurde, ein gutes Beispiel. Mehr als 10.000 Landeskinder fordern darin die Regierung in Hannover auf, sich für ein AfD-Verbot einzusetzen.
Sie soll also sowohl im Bundesrat einen entsprechenden Antrag einbringen als auch, wie es der kleine Nachbar Bremen schon ganz vorbildlich tue, das Gespräch mit der Bundesregierung suchen.
Es ist höchste Zeit dafür. Denn allzu viele Chancen, ein solches Verbot auf den Weg zu bringen, wird es nicht mehr geben. Dabei gibt es fast täglich neue, schreckliche Argumentationshilfen. Denn parallel zum Erstarken der AfD nehmen rechte Gewalttaten zu, auch in Norddeutschland.
So war Anfang des Monats in Bargteheide bei Lübeck, also in Schleswig-Holstein, mal wieder das Jugendzentrum überfallen worden. Blaue Hakenkreuz- und AfD-Tags legen nahe, wo die Urheber des Anschlags sich politisch selbst verorten.
Angriff in Gifhorn
Vergangenes Wochenende war dann das queere Jugendzentrum Spektrum in Gifhorn dran. Die Kreisstadt liegt zwischen Wolfsburg und Hannover, also im Herzen von Niedersachsen. In der Nacht vom 22. auf den 23. November wurde ein großflächiges Hakenkreuz aus Klebeband am Schaufenster des Zentrums angebracht, direkt über der regenbogenfarbenen Stadtsilhouette aus Fensterfolie.
Das sei ein „gezielter, hasserfüllter Angriff, der in seiner Form für uns in Gifhorn beispiellos ist“, erklärten gemeinsam Landrat Philipp Raulfs (SPD) und der Erste Kreisrat Dominik Meyer zu Schlochtern (Grüne). Solche zumindest seit 1945 beispiellosen Angriffe mehren sich in dem Maße, in dem eine politische Kraft sich in den Parlamenten breit macht, zu deren Programm sie passen.
Wenn gewählte Volksvertreter*innen Minderheiten verächtlich machen, gegen queeres Leben hetzen und Ressentiments auf Menschen mit globaler Biografie schüren, dann adelt dieser Status ihren Hass. Und das freie Mandat schützt ihn: Die Präsenz der AfD in den von ihr verachteten, demokratischen Gremien des Staates entfaltet so appellative Wirkung.
Sie ist selbst ein Aufruf zur Gewalt – der eben nicht nur in Gifhorn freudig aufgegriffen wird. Dafür müssen die Täter*innen noch nicht einmal aus tiefster Überzeugung handeln. Sich abreagieren zu können, angestauten Frust in Gewalt gegen Schwächere zu entladen – das verlockt viele.
Und solange die AfD legal ist, signalisieren Gesellschaft und Staat: Sie nehmen das hin. Dabei wäre ihre ureigenste Aufgabe, ihre grundlegendste Funktion und ihre vornehmste Pflicht, bedrohte und verletzliche Menschen zu schützen.
Das Grundgesetz stuft „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen“ als verfassungswidrig ein. Das ziele darauf ab, erinnert der kluge Petitionstext des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“, „nach der Maxime ‚Wehret den Anfängen‘ frühzeitig die Möglichkeit des Vorgehens gegen verfassungsfeindliche Parteien zu eröffnen“.
Die AfD verbreitet Angst und Schrecken
Für frühzeitig ist es zwar zu spät. Ein Verbot täte aber ringend not – gerade im Lichte des Alltags, mit den sich brutalisierenden Übergriffen und angesichts der Sorgen jener Bürger*innen, die wissen: Sie passen ins Feindbild der Rechten.
Und nein, es ist kein Argument dagegen, dass die AfD inzwischen fast regelhaft in Umfragen die höchsten Zustimmungswerte erhält; im Gegenteil: Ab 1932 war in fast allen Wahlen reichsweit die NSDAP klar die stärkste Kraft. Sie zu verbieten, hätte nicht nur die Republik gerettet. Es hätte verhindert, was nie wieder gutzumachen ist.
Wenigstens den 128 Abgeordneten des niedersächsischen Landtags, von denen gehofft werden darf, dass ihnen Demokratie wichtig ist, sollte das klar sein. Gut, dass die Petition sie daran erinnert, was sie tun müssen, um sie zu verteidigen.
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