piwik no script img

Anschlag in syrischer GrenzstadtRuhe in Aleppo

Der Grenzübergang Atmah ist wichtig für die Versorgung der Rebellen. Er wird immer wieder Ziel von Anschlägen. Aleppo erlebt erstmals seit langem keine Luftangriffe.

Der Osten von Aleppo am Mittwoch. Rauch steigt über den Dächern auf Foto: reuters

Damaskus dpa | Bei einem Anschlag in der syrischen Grenzstadt Atmah sind nach Angaben von Aktivisten mindestens 29 Menschen getötet worden, die meisten von ihnen Rebellenkämpfer. Es gebe zudem Schwerverletzte, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag. Nach ersten Informationen habe ein Selbstmordattentäter am Grenzübergang zur Türkei einen Sprengstoffgürtel gezündet.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) übernahm die Verantwortung für die Explosion. Das IS-Sprachrohr Amak berichtete jedoch im Internet, ein Attentäter habe sich mit einem Fahrzeug in die Luft gesprengt. Nach Darstellung der Menschenrechtler kam es zu der Explosion, als sich Rebellen an der Grenze versammelt hatten, um sich abzulösen.

Atmah im Nordwesten Syriens steht unter Kontrolle von Regimegegnern. Der Grenzübergang ist für die Versorgung von Rebellengebieten im Nordwesten des Bürgerkriegslandes wichtig. Bereits im August waren bei einem Selbstmordanschlag in Atmah mehr als 30 Rebellen getötet worden. Auch damals übernahm der IS die Verantwortung. Die Türkei und syrische Rebellen hatten im vergangenen Monat in einem anderen Teil des Grenzgebietes eine Offensive gegen den IS begonnen.

Nach mehr als zwei Wochen heftiger Bombardierungen der umkämpften Großstadt Aleppo im Norden des Landes stellten die syrische und die russische Luftwaffe ihre Angriffe unterdessen vorerst ein. Aleppo habe die ruhigste Nacht seit dem Scheitern der Waffenruhe im vergangenen Monat erlebt, meldeten die Menschenrechtsbeobachter. Die Kämpfe zwischen Regimeanhängern und Rebellen gingen jedoch weiter.

Mangel an Nahrung und Wasser

US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow hatten zuvor trotz des Abbruchs ihrer Syriengespräche telefoniert und dabei auch über das Bürgerkriegsland gesprochen, wie ein Sprecher des Außenministeriums in Washington am Mittwoch erklärte.

Die syrische Armee teilte am selben Abend mit, sie werde ihre Angriffe auf Aleppo reduzieren, damit Zivilisten den von Rebellen beherrschten Ostteil der Stadt verlassen könnten. Dort sind bis zu 300.000 Menschen seit Wochen belagert. Es herrscht akuter Mangel an Nahrung, Trinkwasser und medizinischer Versorgung.

Das UN-Nothilfebüro OCHA schätzt, dass rund die Hälfte der Einwohner den Osten Aleppos gerne verlassen würden. Demnach hält jedoch die militärische Präsenz der Regierung an den Ein- und Ausgängen Ost-Aleppos die Menschen vom Verlassen der Stadt ab.

Aleppo hatte in den vergangenen Tagen die heftigsten Angriffe der russischen und syrischen Luftwaffe seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2001 erlebt. Die syrische Armee und mit ihnen verbündete Milizen begannen zugleich Angriffe auf Rebellengebiete.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Mittwoch mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan zu einer Deeskalation in Syrien aufgerufen. Sie hätten in einem Telefonat die Notwenigkeit eines friedlichen politischen Prozesses in dem Bürgerkriegsland betont, meldete der Kreml. Putin kommt am Montag in die Türkei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Das UN-Nothilfebüro OCHA schätzt, dass rund die Hälfte der Einwohner den Osten Aleppos gerne verlassen würden. Demnach hält jedoch die militärische Präsenz der Regierung an den Ein- und Ausgängen Ost-Aleppos die Menschen vom Verlassen der Stadt ab."

     

    ... hat schon irgendjemand das Statement des OCHA, auf das sich dpa hier bezieht, im Original gefunden ?

     

    Am 29.9. zeichnete der OCHA-Chef Stephen O’Brien noch ein wesentlich komplexeres Bild der Situation. Der Hauptgrund für die zögerliche Nutzung der Fluchtkorridore während des Waffenstillstands waren die Heckenschützen der "Rebellen".

     

    "Furthermore, despite the assertion of there being “corridors” available, civilians wishing to travel in and out of eastern Aleppo are unable to do so in any significant numbers. You’d do the same, you just don’t do it if you have nowhere to go voluntarily, and if the sniper is likely to take the shot any way. As we have long said, civilians cannot move when there are such levels of insecurity. We have also assessed this lack of movement based on the military presence at entry and exit points and specific security concerns, not just about sniper fire and detainment when traveling through humanitarian corridors that were established by the Russian Federation."

    http://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/under-secretary-general-humanitarian-affairs-and-emergency-relief-49