Anschlag in Nordirland: "Akt der Barbarei"
Erstmals seit 12 Jahren sind wieder Soldaten bei einem Terrorangriff in Nordirland getötet worden. Die "Real IRA", eine extremistische Abspaltung der IRA hat sich zu dem Anschlag bekannt.
DUBLIN taz In Nordirland haben mutmaßliche Terroristen am Samstagabend zwei britische Soldaten erschossen, zwei weitere wurden bei dem Angriff schwer verletzt. Die Täter nutzten eine Pizzalieferung an die Massereene-Kaserne in Antrim rund 25 Kilometer nördlich von Belfast aus. Sie eröffneten das Feuer, als die Armeeangehörigen des 38. Technik-Regiments die Pizzas in Empfang nehmen wollten. Dabei wurden auch die beiden Lieferanten verletzt. Der bis dahin letzte tödliche Anschlag auf einen Soldaten liegt zwölf Jahre zurück.
Laut einem Fernsehbericht der BBC hat sich die "Real IRA", eine Abspaltung der katholischen Untergrundorganisation Irisch-Republikanische Armee (IRA) zu dem Anschlag bekannt. Ein entsprechender Bekenneranruf sei am Sonntag bei der Zeitung Sunday Tribune in Dublin eingegangen. Die "Real IRA" wird auch für den Anschlag von Omagh aus dem Jahr 1998 verantwortlich gemacht. Bei dem schwersten Attentat im Nordirland-Konflikt waren 29 Menschen ums Leben gekommen.
Die IRA hatte im Juli 1997 die Waffen gegen den Widerstand eines Teils ihrer Mitglieder niedergelegt. Die IRA-Dissidenten gründeten zwei Splittergruppen: die "Real IRA" und die "Continuity IRA".
Der Anschlag auf die Massereene-Kaserne, die im nächsten Jahr geschlossen werden soll, ist von Politikern aller Parteien scharf kritisiert worden. Der britische Nordirlandminister Shaun Woodward verurteilte die Morde als einen "Akt krimineller Barbarei". Der britische Premierminister Gordon Brown sagte: "Das ganze Land ist schockiert. Kein Mörder kann den Friedensprozess zu Fall bringen, denn dieser hat die Unterstützung der überwältigenden Mehrheit der Menschen in Nordirland." Sein irischer Amtskollege Brian Cowen fügte hinzu: "Wir hatten alle gehofft, dass die sinnlose Gewalt der Vergangenheit angehört. Die Täter müssen schnell ihrer gerechten Strafe zugeführt werden." Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der IRA sagte: "Das war ein Angriff auf den Friedensprozess. Die dafür Verantwortlichen haben keine Unterstützung und keine Strategie, um ein vereinigtes Irland durchzusetzen. Sie wollen Irland wieder in den Konflikt stürzen."
Der nordirische Premierminister Peter Robinson von der Democratic Unionist Party (DUP) des Protestantenpfarrers Ian Paisley sagte, der Anschlag sei eine "furchtbare Erinnerung an die Ereignisse der Vergangenheit". Paisleys Sohn, Ian Paisley junior, sagte ominös, der Angriff könne ein "entscheidender Punkt in der Geschichte Nordirlands sein".
Der nordirische Polizeichef Hugh Orde hatte drei Tage zuvor beim Geheimdienst der britischen Armee um Hilfe bei der Überwachung potenzieller Terroristen gebeten. Die Gefahr eines Anschlags sei so groß wie seit sieben Jahren nicht mehr, sagte er. Der Sinn-Féin-Vize Martin McGuinness, der in der nordirischen Mehrparteienregierung stellvertretender Premier ist, bezeichnete Ordes Hilferuf als "dumm und gefährlich". Er sagte: "Die Geschichte Nordirlands hat gezeigt, dass diese Organisation eine genauso große Gefahr für die Bevölkerung darstellt wie die anderen Gruppierungen."
Nachdem die britische Armee im Juli 2007 ihre "Operation Banner" beendet und die meisten Soldaten nach 38 Jahren aus Nordirland abgezogen hat, sollte die Polizei für die Sicherheit in der ehemaligen Krisenprovinz sorgen. Doch im Zuge der Reform, durch die die bis dahin fast ausschließlich protestantische Polizei auch für Katholiken akzeptabel werden sollte, sind viele Beamte, darunter viele aus der Geheimdienstabteilung, in den Ruhestand gegangen. Wenn man jetzt die britische Armee wieder zu Hilfe hole, stelle sich die Frage, wer in Nordirland die Kontrolle habe, sagte Mark Durkan von den katholischen Sozialdemokraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!