Anschlag am Jahrestag der Pogromnacht: Wieder Brand am Falkenhaus
Am Neuköllner Haus der Falken wird Feuer gelegt. Die linke Jugendorganisation vermutet rechtsextreme Täter. Bereits im Juni gab es Anschlag auf das Haus.
Große Rußflächen ziehen sich über die Fassade des Gebäudes, das Feuer hat Löcher in die Holzverkleidung gefressen. Davor stehen Gerüste - von der Sanierung nach einem Brand Ende Juni. Mirjam Blumenthal schüttelt den Kopf, die blonde Frau ringt um Worte. "Wie bringen wir das den Kindern bei?", fragt sie.
Unbekannte haben am Mittwochmorgen Feuer am Anton-Schmaus-Haus der SPD-nahen Jugendorganisation Falken im Neuköllner Ortsteil Britz gelegt - vier Monate nach einem früheren Brandanschlag und am Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938. Mitarbeiter einer Sanierungsfirma hatten gegen 7.20 Uhr Flammen entdeckt und die Feuerwehr alarmiert. Laut Falken-Koordinatorin Blumenthal muss das Feuer kurz vorher gelegt worden sein. "Sonst gäbe es das Haus nicht mehr." Eine Scheibe sei eingeschlagen worden, Teile der Einrichtung hätten Feuer gefangen und ein Pfeiler sei stark beschädigt worden. Der Brand im Juni habe einen Schaden von 120.000 Euro angerichtet, sagt Blumenthal. "Diesmal dürfte der Schaden ähnlich hoch sein."
Das Haus wird wegen der Wiederaufbauarbeiten momentan nicht genutzt. Für den 4. Dezember war die Wiederöffnung geplant. "Das hat sich jetzt erledigt", so Blumenthal.
Der Staatsschutz ermittelt zu der Tat. "Wir gehen von Brandstiftung aus", erklärte ein Polizeisprecher. Mehr könne man bisher nicht sagen. Nach dem Anschlag im Juni blieben die Täter unerkannt. Damals hatte eine Nacht zuvor eine Kindergruppe in der Einrichtung übernachtet.
Die Falken vermuten Rechtsextreme hinter den Brandanschlägen. Das Vorgehen sei beide Male ähnlich gewesen, so Blumenthal. In der Tatnacht im Juni wurden noch vor vier weitere linke Einrichtungen Brandsätze gelegt. Das Schmaus-Haus wird auf einer Berliner Neonazi-Website in der Liste "Linke Läden" geführt. Dort heißt es, die Räume würden genutzt, um "kleine Kinder ideologisch zu verblenden".
SPD-Landeschef Michael Müller nannte die Tat "abscheulich und menschenverachtend". Mit dem Anschlag werde bewusst Angst geschürt und das Leben von Kindern gefährdet. Müller forderte, endlich das Verbot der NPD durchzusetzen. Die Jusos plädierten für eine "massive Aufstockung des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus". Der Anschlag sei "unfassbar". Karsten Thiemann, Neuköllner Falken-Vorsitzender, sprach von einer "unglaublichen Brutalität", die den Tod von Menschen in Kauf nehme: "Nichts, aber auch gar nichts unterscheidet die Neonazis von heute von den Brandstiftern des 9. November 1938."
Das Neuköllner Bezirksamt bot den Falken noch am Mittwoch Hilfe an. Nach dem Brand im Juni konnte der Verein ein Ausweichquartier in Rudow beziehen, das er zum Jahresende verlassen sollte. "Es gibt Signale, dass wir jetzt länger bleiben dürfen", sagt Blumenthal. Man werde das Schmaus-Haus noch einmal aufbauen: "Jetzt erst recht."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül