Anonyme Geburten: Ethikrat ist gegen Babyklappen

Der Deutsche Ethikrat empfiehlt den Abbau der Babyklappen. Denn ein Rückgang der Kindstötungen sei nicht nachweisbar. Die Kirchen sehen das anders.

Hilfe für Frauen in existenziellen Nöten: Die Babyklappe. Bild: ap

In Hannover scheiterte das Hilfsangebot tragisch: Anfang 2008 wurde vor die Babyklappe des Diakoniekrankenhauses Friederickenstift ein Baby niedergelegt. Der Junge lag in einer Stofftasche und war in ein Handtuch gehüllt. Als er gefunden wurde, war er erfroren. Schlimmer noch: Es stellte sich heraus, dass sich die Babyklappe nicht öffnen ließ. Unklar ist jedoch, ob das Kind nicht schon tot war, als es vor die Klappe gelegt wurde. Das 2001 gegründete Projekt "Mirjam - ein Netzwerk für das Leben" des Diakonischen Werkes der Landeskirche Hannover beerdigte es. Die Landesbischöfin und jetzige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, gab dem Kind den Namen Mose.

Es sind Fälle wie diese, die das Thema Babyklappen seit Jahren in die öffentliche Diskussion bringen. Nun haben die 26 Mitglieder des Deutschen Ethikrates nach mehr als einem Jahr Arbeit eine 72-seitige "Stellungnahme" zum "Problem der anonymen Kindesabgabe" veröffentlicht. Die Mehrheit des Rates empfiehlt, die vorhandenen Babyklappen und Angebote zur anonymen Geburt aufzugeben.

Vor zehn Jahren wurde in Hamburg die bundesweit erste Babyklappe eingerichtet. Babyklappen sollen Kindstötungen verhindern. In die Klappen können Neugeborene anonym hineingelegt werden. Die Kinder werden später in der Regel zur Adoption freigegeben. Babyklappen sind Wärmebettchen, die öffentlich zugänglich sind. Bundesweit sind nach Angaben des Ethikrates knapp 80 Babyklappen zu finden. Zudem gibt es rund 130 Krankenhäuser, in denen Schwangere ihr Kind anonym zur Welt bringen können. Den Zahlen des Rates zufolge wurden seit 1999 mehr als 500 Kinder in Babyklappen gelegt.

Der Ethikrat schreibt nun: "Die bestehenden Angebote anonymer Kindesabgabe sind ethisch und rechtlich sehr problematisch, insbesondere weil sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzen. Die bisherigen Erfahrungen legen zudem nahe, dass Frauen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ihr Neugeborenes töten oder aussetzen, von diesen Angeboten nicht erreicht werden." Die Vizevorsitzende des Rates, Christiane Woopen, erklärte ferner, dass seit Etablierung der ersten Babyklappen die Zahl der getöteten Kinder nicht signifikant zurückgegangen sei. Der Rat empfiehlt eine "vertrauliche Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung". Dabei würde der Schwangeren zugesichert, ihre Personendaten für ein Jahr lang nach der Entbindung nicht weiterzugeben.

Sechs Mitglieder des Ethikrates widersprachen dem Mehrheitsvotum. Einer von ihnen, der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, sagte der taz, er halte die Stellungnahme des Rates für eine "Grundsatz-Fehlentscheidung". Das Mehrheitsvotum stelle das Recht auf Kenntnis über die Herkunft über das Recht auf Leben. Babyklappen als Mittel der möglichen Lebensrettung sollten erhalten bleiben. Frauen in solch existenziellen Nöten seien eben manchmal nicht durch rechtlich klar geordnete Hilfsangebote erreichbar. Ein Extrembeispiel könnte etwa eine unverheiratete, schwangere Muslima aus einer sehr traditionellen Familie sein: Wenn sie nicht anonym gebären könne, "ist sie tot".

Cathrin Schauer stimmte dem Weihbischof zu. Die Sozialpädagogin ist Geschäftsführerin von KARO e.V., das mit Hilfe privater Spender seit einem Jahr die erste Babyklappe im Vogtland eingerichtet hat. Angesichts der "zunehmenden Armut" seien Babyklappen als "allerletzter Ausweg" nötig. So erreiche man Menschen, die andere Hilfen nicht mehr annehmen würden.

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