Anne Haeming Der Wochenendkrimi: Und nach der Wende wird der „Tatort“-Typ der „Polizeiruf“-Truppe vor die Nase gesetzt
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Vielleicht lohnt es sich, das Positive festzuhalten: Der Wessi überstand nur eine Folge als aus dem Ruhrgebiet importierter Chef der Ostberliner Kripo-Abteilung. Das ist geradezu spektakulär mit Blick auf die aktuelle Debatte rund um die Nachwendejahre, als lauter Westdeutsche nach Ostdeutschland kamen, um Entscheidungspositionen zu besetzen – weil die Ossis, nech, die ham ja keine Ahnung, Transformation, das schaffen die nicht alleine.
In Fernsehkrimi-Dimensionen übersetzt: Im Sommer 1991 übernimmt also der „Tatort“-Thanner (Eberhard Feik) die Leitung des altgedienten Berliner „Polizeiruf 110“-Geheimpolizeiteams um Peter Fuchs (Peter Borgelt) und Thomas Grawe (Andreas Schmidt-Schaller). Und Thanner trieft geradezu vor Überheblichkeit und Ignoranz: „Alle Ermittlungen müssen von mir bestätigt werden!“. Die Abteilung rollt mit den Augen: „Der denkt wohl, wir haben 40 Jahre lang nur Detektivromane gelesen.“
Die Realität: Während Thanner einem Gspusi hinterhersteigt, Blumen kauft, rumknutscht, macht das eingespielte Team seine Arbeit. In diesem Fall ermitteln sie einer Truppe Neonazis weiter hinterher, die „Ausländer schwer misshandelt haben“. Die bereiten die Arbeit einer rechtsradikalen, bürgerlich wirkenden Bewegung vor, überfallen eine Bank. Und entführen den alten „Polizeiruf“-Chef Fuchs. Also kein klassischer Sonntagskrimi-Mordfall.
Um die Dynamik dieser Folge zu verstehen, ist leider etwas Vorgeschichte nötig. Thanner und Grawe und Fuchs kennen sich. 1990 lief eine historische erste deutsch-deutsche Co-Produktion aus „Tatort“ und „Polizeiruf“: In „Unter Brüdern“ ermittelten Schimanski und Thanner mit Grawe und Fuchs, in Duisburg und Berlin. Es ging um den realen staatlich organisierten Kunstraub der DDR, um die West-Geschäftsbeziehungen der Stasi-Firma, die zur Devisenbeschaffung Werke „organisierte“ und verkloppte. Diese wie die aktuelle Folge schrieb, logo, ein Wessi: Veith von Fürstenberg. Regie führte diesmal Benno Fürneisen, der schon in der DDR viele Fernsehfilme gedreht hatte. Offen also, ob Stereotype unbewusst transportiert oder bewusst sichtbar gemacht wurden; vom Ossi-Bashing bis hin zum Fokus auf die „Baseballschlägerjahre“ der Neunziger. Es spiegelt vielleicht die Resignation dieser Zeit, dass der große Peter Borgelt als Fuchs irgendwann sagt, schulterzuckend: „Lasst uns einfach weiterarbeiten.“
„Polizeiruf 110: Thanners neuer Job“, in der 3sat-Mediathek
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