piwik no script img

Anne Haeming Der WochenendkrimiEin Kommissar, der versucht, zur Ruhe zu kommen. Aber das Paradies ist keines

Zuerst müssen wir mal unser Hirn auf null setzen. Weg mit den Bildern von Tom Selleck im gemusterten Hawaii-Hemd, weg mit den immerfeuchten Locken, die ihm actionmäßig in die Stirn hängen, mit dem dauerblitzenden Zahnpastagrinsen – und ja, auch weg mit dem zackigen alarmroten Ferrari 308 GTS Quattrovalvole.

Tom Selleck und TV-Krimi, das war immer „Magnum“, Privatdetektiv und Lebemann, wie man Machos lange euphemistisch bezeichnete – mit Butler, Sonne, Strand. Aber gut, okay, dafür muss man beim Filmportal IMDB weit nach unten scrollen: Das Ende der Serie ist 30 Jahre her, der Anfang, hust, 40.

Der Schnauzer ist geblieben, ansonsten: Als Polizeichef „Jesse Stone“ hockt Selleck nun in der Pampa an der Küste von Massachusetts, frisch aus L. A. gewechselt, gefeuert, weil betrunken. „Paradise“ heißt sein neuer Einsatzort, für die passende Fallhöhe zu Mord und Totschlag. Auf dem Kopf eine Baseballkappe, im Gesicht Trübsal und Müdigkeit und eine permanente Alkoholfahne. Er ist seit ein paar Jahren geschieden und immer noch im Loch – einfach nur Cop im Kaff zu sein, so sein Mantra, ist das Einzige, auf das er sich gerade konzentrieren könne.

Grundlage ist übrigens die Krimireihe von Robert B. Parker, der auch ein paar Philip-Marlowe-Romane nach Chandlers Tod beigesteuert hat, aber das nur am Rande. Die neun Fernsehfilme sind auch schon etwas älter – man telefoniert teils noch von Telefonzellen aus – aber egal: Das ZDF zeigt nun bis in den August hinein in der Nacht auf Sonntag je zwei Folgen; neun gibt es insgesamt (Regie: Robert Harmon), eine neue ist gerade in der Mache. (Der Doppel-Auftakt lief letztes Wochenende, ist nicht in der Mediathek, ist aber wurscht.)

In den Storys dieses Wochenende – „Totgeschwiegen“ und „Alte Wunden“ – klärt Jesse den Mord an einer Schülerin und rollt einen alten Fall neu auf. Aber die Fälle rutschen angenehm ins Nebensächliche, das Miteinander der Figuren ist weit aufregender. Allen voran das Duo Jesse und Kommissarin Molly Crane, herrlich ernüchtert gespielt von (mittlerweile Oscargewinnerin) Viola Davis.

Machen wir uns nix vor, Knall-bum-peng-Action gibt’s hier nicht. Jesse Stone bei der Arbeit zuzuschauen ist, wie auf einen Fluss zu starren, der mal ruhiger, mal aufgewühlter fließt. Und sich an dem zu erfreuen, was vorbeitreibt. Hier also ein Kommissar, der versucht, zur Ruhe zu kommen. Und sich selbst nicht so wichtig nimmt: Was eine Erholung.

„Jesse Stone“: „Totgeschwiegen“ und „Alte Wunden“, Samstagnacht ab 1.05 Uhr, ZDF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen