: Annan für US-Rückzug
UN-Generalsekretär fordert Zeitplan. Tausende Schiiten protestieren in drei Städten. Erneut US-Soldaten getötet
NEW YORK/BAGDAD rtr/afp/ap/dpa ■ UN-Generalsekretär Kofi Annan hat einen „klaren Zeitplan“ für einen schrittweisen Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak gefordert. Zugleich sprach sich Annan in einem Lagebericht für die Beratung im Weltsicherheitsrat am Dienstag zur Entwicklung im Irak für eine stärkere Rolle der UNO aus. Viele Iraker hätten gegenüber UN-Vertretern in Bagdad erklärt, ihrem Land könne „Demokratie nicht von außen aufgezwungen werden“.
US-Außenamtssprecher Richard Boucher zufolge werden erste Diskussionen über eine neue Irak-Resolution geführt. Einige Länder hätten Vorbehalte, ohne neue UN-Resolution Truppen zu stellen, so Boucher. Neben Deutschland, Frankreich und Russland wollen auch Indien und Pakisten ohne ausdrückliches UN-Mandat keine Truppen schicken. Angesichts der immensen Kosten und Widerstände bei der Besatzung Iraks wächst der Druck in den USA, andere Staaten einzubeziehen.
Im irakischen Nadschaf demonstrierten gestern mehr als 10.000 Schiiten gegen die US-Besatzungsmacht. Die Truppen hatten am Samstag das Haus von Schiiten-Führer Moktada al-Sadr umstellt. Sadr hatte am Freitag die Gläubigen aufgefordert, statt sich im US-geförderten Regierungsrat zu engagieren, ihre politischen Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Bereits am Samstag demonstrierten in Bagdad und Basra tausende gegen die US-Besatzung. Die Demonstranten skandierten „Nieder mit den USA“ und äußerten ihre Solidarität mit Sadr. In Basra gingen rund 3.000 Menschen auf die Straße. Die Schiiten erwarten eine Entschuldigung von US-Präsident George Bush bei ihrem Imam. Der 30-jährige Sadr führt eine der drei Gruppen, die um die Vertretung der schiitischen Mehrheit im neu geordneten Irak konkurrieren.
Indes kommt der Verwaltungsrat für Irak nur langsam voran. Eine Woche nach seiner Konstituierung konnten sich die 25 Mitglieder nicht auf die Wahl eines Präsidenten einigen. Stattdessen bevorzugen sie ein Führungsgremium aus mindestens drei Personen, das im Rotationsverfahren besetzt werden soll, hieß es aus Bagdad. Als Erste sollten danach ein schiitischer Geistlicher sowie ein schiitischer und ein sunnitischer Politiker das Gremium leiten.
Bei einem neuen Angriff aus dem Hinterhalt sind im Nordirak zwei US-Soldaten getötet worden. Ein dritter Soldat sei gestern Morgen verletzt worden, teilte ein US-Armeesprecher mit. Am Samstagmorgen war ein US-Soldat in Bagdad erschossen worden, als er vor einer Bank Wache stand. Seit dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen am 1. Mai kamen bislang 37 US-Soldaten bei Angriffen ums Leben.
Noch vor dem Aufbau einer neuen Armee sollen Iraker an US-Militäraktionen teilnehmen. Sie sollten im Rahmen einer Sicherheitstruppe ausgebildet werden, sagte John Abizaid, Oberbefehlshaber der US-Truppen in Irak, der Washington Post.