Anna FastabendMidlife Monologe: Wenn die Vorfreude fast verfliegt
Reiseplanung ist wie zwei Tage früher sterben, sagt A., und ich stimme ihm zu. Nach unzähligen Stunden, die wir nach der perfekten Unterkunft gesucht haben, stehen wir mit nichts da. Literally nichts. Keinem Ticket, keinem Apartment. Nichts! Dafür mit drei bis vier abgebrochenen Telefonaten. Und ja, ein gut gemeinter Vortrag über das Reisen im Spätkapitalismus und ein paar Tränen waren auch im Spiel – sowie diverse Schulter- und Nackenverspannungen auf beiden Seiten der Fernbeziehung, die vom langen Starren in die Bildschirme herrühren; aber von vorn.
Alles beginnt – so wie es immer beginnt – mit einer guten Portion Vorfreude. Man füllt den Urlaubsschein aus, und schon scheint das süßeste Haus inmitten der Einöde von Finnland zum Greifen nahe. Das Problem ist nur: Der Vermieter weiß nichts von unseren Plänen, und so ist es natürlich schon weg. Wobei: Wie wären wir da überhaupt hingekommen? Mit dem Flieger bis Helsinki, aber dann?
Ein Kollege schlägt stattdessen die Stockholmer Schärengärten vor, die man einfacher erreichen kann. Ich bin sofort begeistert, denn wer will in Zeiten wie diesen nicht Ferien machen wie auf „Saltkrokan“, der fiktiven Insel aus Astrid Lindgrens Kinderbuchklassiker, wo die Welt ja immer sehr in Ordnung gewesen ist. Doch A. ist ein bisschen genervt von meiner Planänderung. „Jetzt habe ich extra zwei Reiseführer über Finnland gekauft“, schmollt er, aber weil er mich liebt, lässt er sich noch mal umstimmen. Aber nun geht das Gesuche, das früher jedes x-beliebige Reisebüro für einen erledigt hätte, erst so richtig los. Soll es die Blockhütte auf der Insel Stora Timrarö werden, wo eine Akkustikgitarre über der Bobo-Chaiselongue hängt? Oder die Hütte auf Södra Stavsudda mit den verführerischen Sonnenuntergangsbildern?
Ungefähr 30.000 Inseln gibt es vor Stockholm, lese ich, und auf denen befinden sich so viele Holzhäuschen, dass wir schnell den Überblick verlieren. „Ich kann diese Scheißhäuser langsam nicht mehr sehen“, sagt A. genervt. Überhaupt sei so eine Schäre ja nicht viel besser als ein Schrebergarten. „Da sitzen wir dann auf so einer blöden Miniinsel fest – und was wollen wir da machen?!“ – „Lesen, kuscheln, baden …“, zähle ich auf. „Hast du mal geguckt, wie kalt es dort noch ist?“, fragt A. „Nicht kälter als in Finnland“, kontere ich, obwohl mir der Gedanke an eine zugige Hütte bei frühlingshaften Temperaturen jetzt auch nicht mehr so attraktiv vorkommt. Noch dazu: Will man in diesem klapprigen Bett wirklich schlafen? Unter diesem Psychoclowngemälde? Denn es ist ja so: A. und ich haben zwar keine Kohle, aber dafür hohe Ansprüche, die nicht immer in dieselbe Richtung gehen.
Ist das anstrengend, denke ich, dabei sind wir bloß zu zweit. Wie kompliziert wäre es da erst mit Kindern – oder noch schlimmer: Haustieren. „Lass uns einfach in die Uckermark fahren“, schlägt A. vor, der ein unerklärliches Faible für Ostdeutschland hat. „Auf keinen Fall“, schreie ich. Dann schon lieber Tirol, weil ich gern gut esse. „In diesen Alpenkitsch?“, schreit A. Und plötzlich geht es ganz schnell. Wir buchen. Na ja, semischnell. Denn meine Face-ID erkennt mich im Liegen nicht und so crashe ich den Zugang zu meinem Konto, also muss A. aushelfen.
Unsere erste Etappe: Hamburg. Die Unterkunft: ein billiges Hostel direkt neben dem Bahnhof. Wie es von dort aus weitergeht? Unklar. Dafür hat sich das Suchen doch gelohnt.
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