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Anklage hält Plädoyer im Flick–Prozeß

■ Staatsanwälte fordern für Lambsdorff und Co. Verurteilung wg. Steuerhinterziehung Bestechlichkeitsverdacht bleibt / Fehlende Zeugeneinvernahme möglicher Revisionsgrund

Bonn (ap) - Im Bonner Flick– Spendenprozeß hält die Staatsanwaltschaft zwar ihren Korruptionsverdacht gegen die früheren Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs und Otto Graf Lambsdorff sowie gegen den ehemaligen Flick–Manager Eberhard von Brauchitsch aufrecht, tritt aber wegen „letzter Zweifel“ für einen Freispruch von diesem Vorwurf ein. Oberstaatsanwalt Dieter Irsfeld kündigte am Dienstag mit Beginn der Plädoyers vor dem Landgericht zugleich Anträge auf Verurteilung der drei Angeklagten wegen Steuerhinterziehung an. Das Urteil soll am 16. Februar gesprochen werden. Irsfeld deutete während einer Verhandlungspause an, daß die Staatsanwaltschaft wegen nicht angehörter Zeugen möglicher Bargeldzahlungen von Flick an Friderichs und Lambsdorff Revision beim Bundesgerichtshof einlegen werde. Sein Kollege Martin Dettmann unterstrich im Plädoyer, der Verdacht, daß Friderichs vom Flick–Konzern 375.000 Mark und Lambsdorff 135.000 Mark in bar erhalten hätten, sei in den bisherigen 118 Verhandlungstagen „nicht entkräftet oder nur abgeschwächt“ worden. Die letzten Zweifel bestünden nur deshalb noch, weil das Gericht am 23. Juli 1986 die Einvernahme von acht Zeugen, darunter die Kohl– Vertraute Juliane Weber, die mehrfach als „Geldbotin“ Beträge vom Flick–Konzern abgeholt haben soll, abgelehnt hatte. Irsfeld meinte in seinem Plädoyer, wenn die Zahlungen bewiesen werden könnten, habe die Staatsanwaltschaft keinen Zweifel daran, daß die drei Angeklagten das Geld als Gegenleistung für die Tätigkeit der Minister bei der Genehmigung der Steuerbefreiungen des Flick–Konzerns gewertet hätten. Das Gericht solle deshalb noch einmal seinen bisheri gen Standpunkt überprüfen. Bei den Steuerbefreiungen für Flick handelte sich um die Wiederanlage von 1,9 Milliarden Mark Erlös aus dem Verkauf von Daimler– Benz–Aktien des Flick–Konzerns. Irsfeld hob in seinem Schlußvortrag noch einmal die Spendenpraxis des Flick–Konzerns hervor. Bargeldzuwendungen seien in den Aufzeichnungen des früheren Chefbuchhalters Rudolf Diehl in den Jahren 1976 bis 1980 fast ausnahmslos Politikern zugeordnet worden, die mit den Steuerbefreiungen zu tun gehabt hätten. Lambsdorff meinte in einem Interview des Saarländischen Rundfunks, er rechne mit einem Freispruch vom Bestechlichkeitsvorwurf und einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Das hindere ihn aber nicht „an weiteren politischen Aktivitäten jedweder Art“. Er schloß eine Rückkehr ins Bundeskabinett nicht aus.

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