piwik no script img

Angespannte russisch-ukrainische BeziehungenBeschimpfungen und Bedrohungen

Zwischen Russland und der Ukraine kracht es. Auf höchster Ebene finden wechselseitige Beschimpfungen statt. Moskau fordert einen Regimewechsel in der Ukraine.

Will keinen russischen Botschafter mehr in die Ukraine entsenden: Russlands Präsident Medwedjew. Bild: dpa

BERLIN taz | Die angespannten russisch-ukrainischen Beziehungen sind an einem neuen Tiefpunkt angekommen. Die russische Führung sei immer noch eine Geisel alter imperialistischer Komplexe und könne mit ihren Nachbarn nur in einer Sprache von Beschimpfungen und Bedrohungen sprechen, sagte die Sprecherin der ukrainischen Präsidialkanzlei, Wera Ulianschenko.

Kiew reagierte damit am Mittwoch auf einen offenen Brief von Russlands Präsident Dmitri Medwedjew an seinen ukrainischen Amtskollegen Wiktor Juschtschenko. In dem ungewöhnlich scharf formulierten Schreiben vom Dienstag wirft Medwedjew der Führung des Nachbarlands vor, Georgien mit Waffen beliefert zu haben, "mit denen Zivilisten und Angehörige der russischen Friedenstruppen im vergangenen August in Südossetien getötet worden sind".

Juschtschenkos Annäherungskurs an die Nato ignoriere die Meinung der Ukrainer und sei ein Versuch, die Tätigkeit der in Sewastopol stationierten russischen Schwarzmeerflotte zu behindern. Durch bilaterale Vereinbarungen mit der EU über russische Energielieferungen versuche die Ukraine, Moskau auszubooten. Zudem beschuldigte Medwedjew die ukrainische Führung, die russische Sprache aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen und durch eine Fixierung auf ukrainische Opfer der großen Hungerkatastrophe der Dreißigerjahre die sowjetische Geschichte umschreiben zu wollen.

In einem Video auf der Website des Kreml kündigte Medwedjew an, keinen russischen Botschafter in die Ukraine zu entsenden. Das werde erst geschehen, wenn sich die Beziehungen "unter einer neuen Führung in Kiew" verbesserten.

Die harsche Botschaft aus dem Kreml folgte nur wenige Tage auf einen umstrittenen Aufenthalt des russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill in der Ukraine. Der Besuch war von Kundgebungen ukrainischer Nationalisten begleitet, die gegen Versuche Moskaus protestierten, seinen Einfluss auf die Ukraine zu verstärken. Im kommenden Januar finden zudem Präsidentschaftswahlen in der Ukraine statt. Umfragen zufolge liegt Juschtschenko derzeit nur bei 4 Prozent.

Die russische Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta warnte vor negativen Konsequenzen des Vorstoßes von Medwedjew. Solche Aktionen könnten dazu führen, dass sich die Partner Russlands weiter von Moskau distanzierten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • S
    Stefan

    Besser wäre, die ukrainische Oligarchie würde nicht weiter versuchen, das Land zu entvölkern und es als gigantischen Truppenübungsplatz an die NATO zu vermieten. Was in der Ukraine gespielt wird, ist doch jedem interessierten Beobachter klar und die Sympathie des gerecht denkenden Menschen gehört in dieser Sache der russischen Ukraine-Politik. Möge sie von Erfolg gekrönt sein und die NATO vernünftig werden.

  • PB
    Peter Bitterli

    "Die NATO sollte die Ukraine schnellstens unter ihre schützenden Fittiche nehmen, bevor es zu spät ist."

    Ach ja?

    Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung gegen einen Beitritt ist?

    Obwohl die NATO nach eigenem Bekunden gar nicht gegen Russland gerichtet ist?

    Obwohl es nicht die geringsten Anzeichen für irgendwelche russischen Ambitionen im Hinblick auf die Ukraine gibt?

    Obwohl die ganze Negativpropaganda gegen Russland ausschliesslich zu dem Zweck gefahren wird, damit genau solche Forderungen erhoben werden?

    Obwohl die Bush-Marionetten, deren Aufgabe es war, die Propaganda zu inszenieren und den "Fittich" zu schaffen, vollkommen abgewirtschaftet haben?

    Obwohl immer mehr vernünftige Zeitgenossen begreifen, dass Russland ein Teil von Europa und nict dessen Feind ist?

    Obwohl die Ukraine im Ernst gar keine Nation ist?

    Obwohl die Propagierung einer Uraine der gleiche nationalistisch-spalterische Vorgang ist wie die Zerstückelung und Zerstörung Jugoslawiens?

  • A
    AnnaTanzt

    Naja, der 'Westen' fordert 'Regimewechsel' überall auf der Welt, wo es Regierungen gibt, die ihm nicht passen. Dafür führt der 'Westen' auch Krieg: Früher in südamerikanischen Ländern, Vietnam usw, aktuell Irak, Afghanistan, evtl. Iran usw.

    Der 'Westen' sollte vielleicht generell seine Politik gegenüber Rußland überdenken, Rußland als wirklich gleichwertigen Partner anerkennen und seine militärische Einkreisungspolitik gegenüber diesem Lande beenden. Dann ist vieles möglich, von dem es heute nur heißt: 'das böse Rußland' hindert.

    Der 'Westen' hat aus einer ungeheuren Arroganz heraus die Möglichkeiten nicht genutzt, die sich gemeinsam mit der Sowjetunion unter Gorbatschov, bzw. im Anschluß daran mit Rußland, geboten haben. Statt Gleichberechtigung von Rußland setzte der 'Westen' auf Dominanz.

    Und bezeichnet jetzt in einem Anfall von Größenwahn zB Georgien als "unmittelbare Nachbarchaft" (zur EU) oder den Südkaukasus als "unsere Interessensphäre" (die USA). Rußland wird dabei lediglich die Rolle als Störenfried zugeschrieben wenn es ebenfalls eigene Interessen vertritt.

  • S
    Segej

    Die NATO sollte die Ukraine schnellstens unter ihre schützenden Fittiche nehmen, bevor es zu spät ist.