Angeschlagener Oettinger: Der König auf Mallorca
Kritiker glauben, der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger wackle. Es fehle nur noch ein "Lüftle", um ihn aus dem Amt zu pusten. Dafür reiche schon eine neue Affäre.
Zunächst die gute Nachricht für Günther Oettinger: Am Dienstag berichteten die Zeitungen in Baden-Württemberg weder über neue Eskapaden des Ministerpräsidenten noch über Neuigkeiten aus der Liebesbeziehung seiner Frau zu einem Porsche-Manager. Es hätte also ein ruhiger Tag werden könne. Ein trügerisch ruhiger Tag. Denn in Stuttgart gleichen die Tage vor Weihnachten einem politischen Mikadospiel. Man zieht Stäbchen um Stäbchen und schaut gebannt: Wann bricht das fragile Gebilde zusammen?
Politische Beobachter halten Oettinger für derart angeschlagen, dass ein kleines "Lüftle" genügen würde, ihn aus dem Amt zu pusten. Auch die Himmelssichtung, aus denen der Wind kommen könnte, ist schon vorgezeichnet: entweder aus Norden (Hamburg) oder aus Süden (Mallorca). Denn in Hamburg lebt Friederike B., eine Marketing-Unternehmerin, mit der den Ministerpräsidenten mehr als nur eine lose Bekanntschaft verbinden soll. Das würden dem von seiner Frau verlassenen Günther Oettinger sogar seine politischen Feinde gönnen - wäre da nicht der Verdacht, Friederike B. habe über die baden-württembergische Staatskanzlei Aufträge des Landes erhalten. Oettinger bestreitet das. Sein "Nein" in Gottes Ohr.
Auf Mallorca lebt ein Freund "vom Günther", der Italiener Maurizio Olivieri. Er wohnt im Süden seit Frühjahr 2006, allerdings nicht ganz freiwillig. Olivieri musste Stuttgart Hals über Kopf verlassen, nachdem er sein dortiges Ristorante mit zigtausend Euro Schulden in den Sand setzte und die staatlichen Sozialversicherungen um hohe Beträge für seine Angestellten prellte. Ein solcher Duzfreund auf Mallorca gilt nicht gerade als ein gutes Renommee bei den korrekten Schwaben, und so schwört Günther Oettinger alle Schwüre der Welt, er sei, seit Olivieri nach Mallorca geflohen sei, nicht mehr bei ihm, ja nicht einmal auf Mallorca gewesen. Und könne ihm das jemand nachweisen, wäre dies für ihn ein Grund, zurückzutreten. Nun hat aber eben erst jener Restaurantbesitzer aus Mallorca einem Stuttgarter Journalisten erzählt, ja, der Günther sei in diesem Sommer in sein Lokal gekommen, habe ihn zur Begrüßung umarmt und "Du Arschloch" gesagt. Obwohl allein schon die Wortwahl als echt Oettinger und kaum erfindbar gilt, dementierte derselbe Wirt kurz darauf seine Aussage. Nur Oettingers Frau sei als Gast zu ihm gekommen, aber ohne ihren Mann.
Auch andere Menschen haben Günther Oettinger im Sommer 2006 auf Mallorca gesehen, und es ist wohl nur eine Frage von Tagen, bis jemand dies auch an Eides statt versichert. Was an und für sich keine Angriffsfläche bieten würde - der Aufenthalt auf Mallorca ist schließlich noch nicht strafbar -, wird nach Oettingers Einlassung jetzt wie eine Aufforderung verstanden, ihm eine Lüge nachzuweisen.
Das Fatale für den erst seit 2005 regierenden Ministerpräsidenten ist, dass er sich nicht mehr auf eine Phalanx von Unterstützern und Abwieglern in seiner eigenen Partei verlassen kann. Nicht nur, dass die noch immer einflussreichen Anhänger von Exministerpräsidenten Erwin Teufel ihm nie vergessen werden, dass er den angesehenen Landesvater unsanft vom Thron gestoßen hat. Auch in der Landtagsfraktion hat Oettinger durch seine nassforsche Art, sein dilettantisches Krisenmanagement nach der Filbinger-Rede und durch immer wiederkehrende Sauf-Eskapaden viel an Sympathie eingebüßt.
Pessimisten glauben, Oettinger trete noch in diesem Jahr zurück. Optimisten glauben, erst Anfang des kommenden Jahres. Ein Foto, das Oettinger im volltrunkenen Zustand auf einer Feier in Brüssel Anfang des Jahres zeigt, die Augen mit zwei Teesieben verhüllt, hätten er und seine Mannen vor Jahren als Ausdruck von volksverbundener Fröhlichkeit vom Tisch gewischt. Lächerlich! Jetzt genügt schon ein solches Bild, um ängstlich nach ihm zu schauen: War es das?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“