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Anerkennung der UnabhängigkeitKosovo-Frage spaltet Europaparlament

Wo immer Nationen nach Selbstständigkeit strebende Minderheiten haben, wird eine Anerkennung des Kosovo abgelehnt. Das gilt auch für die EU.

"Im vollen Einklang mit internationalem Recht": Feiernde Kosovo-Albaner in Berlin Bild: rtr

BRÜSSEL taz Der neue Ministaat Kosovo bringt die Großen auf der Weltbühne ziemlich in Verlegenheit. Während US-Präsident Bush bei einem Besuch in Tansania erklärte: "Die Kosovaren sind nun unabhängig", beantragten Russland und China für Montagabend eine weitere Sitzung des Weltsicherheitsrats. Sie wollten erreichen, dass der Schritt von der Weltgemeinschaft verurteilt wird. Der Vorstoß gilt als chancenlos, da Großbritannien und Frankreich, die ebenfalls dem Sicherheitsrat angehören, Kosovos Unabhängigkeit unterstützen.

Auch Deutschland wird das Kosovo als unabhängigen Staat anerkennen. Das teilte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Brüssel mit. "Die Mehrzahl der Mitgliedsstaaten wird ein rechtsstaatliches, demokratisches und multiethnisches Kosovo anerkennen. Auch Deutschland wird diesen Schritt tun", sagte Steinmeier. Das Bundeskabinett werde am kommenden Mittwoch einen entsprechenden Beschluss fassen, sagte der Außenminister.

192-mal setzte Kosovos Regierungschef Hashim Thaçi am Sonntagabend seine Unterschrift unter einen Brief, in dem er jedes Land einzeln bittet, den neuen Staat anzuerkennen. Unfreundliche Reaktionen erntete er nicht nur aus Belgrad (siehe unten).

Dass sich andere Unabhängigkeitsbewegungen am Kosovo ein Beispiel nehmen könnten, zeigte sich bereits gestern. Der abchasische Präsident Sergei Bagapsch kündigte die Loslösung von Georgien an. Der Präsident Südossetiens erklärte, man werde es ebenso machen wie Abchasien. Tschetschenische Rebellen begrüßten auf ihrer Internetseite die Entwicklung.

Die baskische Regionalregierung, die für die Unabhängigkeit von Madrid kämpft, nannte die Unabhängigkeitserklärung am Sonntag eine "beispielhafte Lösung" für "Identitäts- und Zugehörigkeitskonflikte". Der spanische Außenminister erklärte daraufhin gestern beim Treffen mit seinen EU-Kollegen, Spanien werde das Kosovo nicht anerkennen. "Der Schritt ist völkerrechtswidrig", sagte Miguel Moratinos. "Wir waren gegen den US-Einmarsch in den Irak, und wir sind gegen einseitige Unabhängigkeitserklärungen." Die slowenische Ratspräsidentschaft hatte zuvor in Prishtina die Verschiebung der Unabhängigkeitserklärung bis nach den spanischen Wahlen am 9. März zu erreichen versucht.

Auch andere EU-Staaten mit Minderheitenkonflikten wie Zypern, Rumänien, die Slowakei, Griechenland und Bulgarien wollen den neuen Staat nicht anerkennen. Das bringt die EU-Außenminister in ein Dilemma, weil die EU schon bald eine rechtsstaatliche Unterstützungsmission aus Polizisten, Juristen, Zöllnern und Staatsanwälten ins Kosovo schicken will. Sie soll die internationale Mission Unmik ablösen. Nach langen Debatten einigten sich alle 27 Mitgliedsstaaten schließlich auf eine spanische Kompromissformulierung. Sie "nimmt zur Kenntnis, dass die Mitgliedsstaaten in Übereinstimmung mit nationalen Praktiken und dem internationalen Recht über ihre Beziehungen zum Kosovo entscheiden werden". Das Kosovo stelle "angesichts des Konflikts, der ethnischen Säuberungen und der humanitären Katastrophe in den 90er-Jahren" einen einzigartigen Fall dar, "der keine Präzedenzen schafft".

Das Europaparlament ist in der Kosovofrage ähnlich gespalten wie die Mitgliedsstaaten. Während die Linksfraktion gestern die "Risiken der Destabilisierung" in der Region herausstellte und davor warnte, die "Büchse der Pandora" zu öffnen, begrüßten die Liberalen, Grünen, Sozialdemokraten und Konservativen den Schritt.

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4 Kommentare

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  • M
    Martin

    Nicht nur dass die USA schon vor einem Jahr die Anerkennung des Kosovo zugesagt haben, alles war seit 1999 darauf ausgerichtet:

    Bei der zukünftigen AMBO-Pipeline vom Bulgarischen Schwarzen Meer zum Albanischen Hafen Vlore geht es um sehr viel Geld. Also dürfen die "guten Beziehungen" zu Albanien nicht gefährdet werden. So erkennt man auch deswegen einen unabhängigen Staat Kosovo an. Dem bereits seit 2001 dort befindlichen Stützpunkt "KFOR Camp Bondsteel" (errichtet durch Kellogg, Brown & Root, einer Tochter des Halliburton Konzerns, dem US-Vize Cheney bis Ende 2000 angehörte) tut dies selbstverständlich erst recht keinen Abbruch.

     

    So gesehen ist sicherlich für die USA langfristig das Projekt "Unabhängiges Kosovo" besser für ihre außenpolitischen Ziele geeignet als ein UN-Protektorat gleichen Namens.

     

     

     

    .

  • D
    Django

    Die Anerkennung Kosovos als eigenständigen Staat wird die Distanz zwischen Serbien und Europa wieder vergrößern - und dies zu einem Zeitpunkt wo es endlich zu einer Annäherung gekomen wäre.

    Die Situation auf dem Balkan und damit in Europa hat sich damit zweifellos verkompliziert.

  • BG
    Benedikt Gresser

    Kosovo ist das Stammland des serbischen Volkes. Davon zeugen die z.T. jahrhundertealten Kirchen und Klöster.

    Kosovo ist für ein bisher bedeutungsloses Albanien nicht mehr als eine Gelegenheit für widerrechtliche teritoriale Expansion.

    Für viele europäische Politiker scheint es eine lang ersehnte Gelegenheit zu sein, eine Menschlichkeit zu beweisen, für die sie schon viele bessere Gelegenheiten verstreichen haben lassen.

    Der Rummel um den Kosovo kann sich als kaum widergutzumachende Blamage Europas herausstellen.

    Da nützt das brave Schwanzwedeln hinter der zweifelhhaften Großmacht USA dann auch nichts mehr.

     

    Benedikt Gresser

  • L
    Ludwig

    Jetzt hat Europa ein 'Staat' genanntes Gebilde, das alleine in keinster Weise lebensfähig ist. Und es dürfte der erste quasi von der organisierten Krininalität, nämlich von den verschiedenen albanischen Mafia-Gruppen, kontrollierte Staat sein.

    Die Verhandlungen von UN, EU und den USA mit Serbien waren keine wirklichen, bei denen am Ergebnis noch zu ändern gewesen wäre. Das Ergebnis war von vornherein festgelegt. Die USA haben schon vor einem Jahr die Anerkennung Kosovos zugesagt.Auch wenn das alles dem bisherigen Völkerrecht widerspricht.

    Es wird jetzt viel Geld aus der EU und Deutschland in den Kosovo fließen. Vielleicht erfahren wir ja irgendwann, in welchen Taschen der Großteil davon gelandet ist und welche Familien 'plötzlich' über 'unerklärlichen' Reichtum verfügen.