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Andreas Hergeth kommt nicht in die Zionskirche reinWo nicht nur die Krokusse wachsen

Der Februarschnee ist getaut, und wenn zwischendurch mal die Sonne scheint, halten in den Cafés im Weinbergsweg in Mitte die Hipster Hof bei Flat White, Pistaziencroissant oder Sprizz. Für den 67 Meter hohen Turm der Zionskirche haben sie eher keinen Blick, dabei ist er von allen Seiten gut zu sehen. Die Kirche in der Mitte des Zionskirchplatzes wurde ja genau deshalb auf dem Weinberg, einer 52 Meter hohen natürlichen Anhöhe errichtet. 1850 wurde sie anlässlich der Rettung König Wilhelms I. vor einem Attentat als Votivkirche gestiftet und in den Jahren 1866 bis 1873 erbaut. Nun ist sie in die Jahre gekommen und wird seit Jahren peu à peu renoviert.

Deshalb ist auch an diesem Tag kein Hineinkommen, auch wenn die Homepage des Fördervereins der Zionskirche etwas anderes verspricht. Unter der Woche ist das Gotteshaus geschlossen und derzeit nur am Wochenende für ein paar Stunden zu besichtigen. Macht aber nichts. Ein Spaziergang drumherum ist auch schön, das hier ist eine entspannte Ecke. Nachbarn haben einen Aufruf an der niedrigen Umrandung der noch spärlich begrünten Rasenfläche rund um das Gotteshaus angebracht: „Nehmen Sie bitte Rücksicht! Hier sollen bald Krokusse blühen.“ Die werden sonst gerne platt getreten.

Autos einer Erfurter Firma für Restaurierungen parken vor der Kirche und am Seitenschiff, es gibt ein paar Absperrgitter vor dem Haupteingang, einen riesigen Stapel Bodenplatten und einen Container für Bauschutt – und manchmal dringen irritierend sanfte Baugeräusche aus dem Kirchen­inneren durch die dicken Mauern nach draußen.

Schon seit etlichen Jahren gibt es immer wieder umfangreiche Restaurierungsarbeiten. So wurde die Kirche trockengelegt, großformatige Buntglasfenster restauriert sowie Heizung und Toiletten eingebaut. Der Förderverein unterstützt die Baumaßnahmen, sammelt dafür Spenden und organisiert kulturelle Veranstaltungen in der Kirche. Im Jahr 2018 wurde der Grundstein für das Großprojekt „KlangRaumZion“ gelegt, das die denkmalgerechte, die Spuren und Brüche der Geschichte erhaltende Restaurierung des Kirchenraums mit dem Neubau einer Orgel vereinigt. 2022 ging es damit los.

Frohe Kunde kam dieser Tage von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), die eine Fördersumme über 50.000 Euro für die restauratorische Instandsetzung der Innenstützen unterhalb der Emporen und für die Restaurierung der Kanzel aus Terrakotta zur Verfügung gestellt hat. Die Zionskirche gehört zu den über 240 Objekten, die die private DSD dank Spenden, Erträgen ihrer Treuhandstiftungen sowie Mitteln der Lotterie GlücksSpirale allein in Berlin fördern konnte. Die DSD beteiligte sich nach eigenem Bekunden seit 1991 an verschiedenen Renovierungsmaßnahmen mit insgesamt über einer Million Euro.

Apropos Denkmal: Die Zionskirche ist zeitgeschichtlich interessant. Architekt war der in Berlin seinerzeit sehr aktive August Orth. Der preußische König und spätere deutsche Kaiser Wilhelm I. stiftete sie als Zeichen des Dankes für die Rettung aus einer Notlage: Er war einem Attentat in Baden-Baden entgangen. Dietrich Bohnhoeffer war hier 1931/32 als Pastor tätig. Eine Bronze von Karl Biedermann erinnert an den 1945 im KZ Flossenbürg ermordeten Christen. Ein paar Jahre vor dem Ende der DDR bot die Zionskirche oppositionelle Gruppen Raum und wurde in Ostberlin zu einem zentralen Ort des revolutionären Herbstes 1989. Davon kündet eine Informationsstele. Die lässt sich auch jenseits der Öffnungszeiten studieren, denn sie steht vor der Kirche.

Offene Zionskirche: sonntags (mit der Möglichkeit zur Turmbesteigung) und feiertags 12–16 Uhr, freitags und samstags 14–18 Uhr.

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