André Brie über Wahlkampf in Meck-Pomm: "Die anderen weichen uns aus"
André Brie, Wahlkampfmanager der Linkspartei, beklagt den langweiligen Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern. Die Chancen für ein rot-rotes Bündnis sieht er gedämpft.
taz: Herr Brie, die SPD wirft der Linkspartei in Schwerin vor, soziale Wohltaten auf Pump zu versprechen. Ist da was dran?
André Brie: Nein, das ist Unsinn. Dass Mecklenburg-Vorpommern keine neuen Schulden macht, ist maßgeblich ein Verdienst der rot-roten Regierung, die bis 2006 den Haushalt konsolidiert hat. Und unsere aktuellen Forderungen sind doch bescheiden.
Sie wollen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, ein kostenloses Mittagessen an den Schulen und 1.250 neue Lehrer bis 2016. Wer soll das bezahlen?
ANDRÉ BRIE, 61, war von 1999 bis 2009 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er ist Wahlkampfmanager der Linkspartei in Schwerin und wird im nächsten Landtag sitzen.
Das kostenlose Mittagessen für Schulen und Kitas kostet das Land weniger als 10 Millionen Euro im Jahr. Teuer ist - das stimmt - die Neuanstellung von Lehrern. Aber es gibt in Mecklenburg-Vorpommern 16,8 Prozent Schulabbrecher, im Bundesschnitt sind es 3,5. Um das zu ändern, brauchen wir mehr Lehrer.
Wer bezahlt das?
Wenn wir aufhören, sinnlose Prestigeprojekte wie Flughäfen und Skihallen auf dem flachen Land zu fördern, werden Gelder frei. Langfristig sparen wir mit der Investion in Lehrer. Die Schulabbrecher werden ja oft Empfänger von Transfergeldern.
Der Wahlkampf ist ziemlich gemütlich …
… ja, er ist langweilig. Es gibt kaum Zuspitzungen.
Sie sind Wahlkampfmanager der größten Oppositionspartei. Warum spitzen Sie nicht zu?
Na, alleine schafft man das nicht. Man kann keine Konfrontation aufbauen, wenn die anderen ausweichen.
Die Arbeitslosigkeit ist seit 2007 um ein Drittel gesunken, es gibt mehr Ausbildungsplätze als Jugendliche, beides wegen der Demografie. Ist der Wahlkampf deshalb so lahm?
Nein. Die soziale Lage ist auch nicht rosig. Es gibt zwar weniger Arbeitslose, aber dafür mehr prekäre Jobs. Das Grundproblem ist: 75 Prozent der unter 25-Jährigen arbeiten hier im Niedriglohnsektor, insgesamt sind es 40 Prozent aller Beschäftigten. Das ist nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch ein Problem. Es gibt hier wenig Exportindustrie, dafür viel klein- und mittelständische Unternehmer, die von der Binnennachfrage leben. Und die Kaufkraft ist, weil die Löhne so niedrig sind, bescheiden. Der Mindestlohn ist die einzige echte Kontroverse im Wahlkampf. Linke und SPD wollen ihn, CDU und FDP nicht.
In rot-roten Regierungen wirkt die Linkspartei oft sehr brav und wie ein Anhängsel der SPD. Sehen Sie diese Gefahr?
Ja, das ist ein Problem. Die Grünen haben in rot-grünen Bündnissen eine klare Rolle als der ökologische Part. Linkspartei und SPD sind hingegen Stiefgeschwister. Da ist die Unterscheidbarkeit schwieriger. Natürlich müssen wir in der Regierung beides tun: verlässlicher Partner sein und ein eigenes Profil haben. Das ist in Berlin vor 2006 schlechter, danach besser gelungen.
Und was unterscheidet die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern von der SPD?
Unser ökologisches Profil. Die SPD war für das Steinkohlekraftwerk in Lubmin, wir waren dagegen. Antikapitalismus und Kapitalismuskritik nutzen hingegen auf Landesebene nicht viel. Wir müssen uns anders abheben: durch Bürgernähe, Transparenz, Bescheidenheit, soziales Engagement.
Die Linkspartei will in Schwerin regieren. Wäre Opposition nicht einfacher?
Münteferings Satz "Opposition ist Mist" stimmt für uns als Partei überhaupt nicht. In der Opposition können wir viel leichter Wähler ansprechen. Aber wir wollen etwas für das Land erreichen.
Die SPD-Führung schließt Rot-Rot nicht aus, ist aber wenig begeistert davon.
Ja, in der SPD wollen starke Kräfte die bequeme Koalition mit der CDU fortsetzen. Aber die SPD hat ein sehr linkes Wahlprogramm, das sie mit der CDU nicht umsetzen kann. Mecklenburg-Vorpommern hat als Niedriglohnland keine Zukunft. Das wissen auch Teile der Unternehmer. Und das wird nur Rot-Rot ändern.
Wie stehen die Chancen für Rot-Rot?
40:60.
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