Analyse: Dodik macht's möglich
■ In der bosnischen Serbenrepublik stehen die Zeichen auf Normalisierung
Daß es zu keinen Protesten bei der Festnahme von Goran Jelićić kam, ist bemerkenswert. Jelićić, dem die Ankläger in Den Haag vorwerfen, in Brčko Dutzende von Menschen ermordet zu haben, konnte letzte Woche nicht einmal auf die Solidarität der nationalistischen Hardliner in der „Republika Srpska“, des serbisch kontrollierten Teilstaates in Bosnien-Herzegowina, bauen. Vor wenigen Monaten wäre ein solcher Vorgang noch undenkbar gewesen. Jetzt ist er ein Indiz dafür, daß sich in der serbischen Teilrepublik eine politische Wende anbahnt.
Die alte Führung in Pale verliert in diesen Tagen weiter an Einfluß. Am kommenden Wochenende muß die von Extremisten beherrschte Regierung der serbischen Teilrepublik die Macht an eine neue Regierung abgeben, die sich auf moderate serbische Parteien stützt, auf die Sozialdemokraten, die Sozialisten und die Partei der Präsidentin Biljana Plavšić. Der neue Premierminister Milorad Dodik hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er auch die letzten Bastionen der Hardliner in Ostbosnien zerstören will.
Daß die neue Regierung auch durch die Stimmen der Abgeordneten der muslimischen und kroatischen Vertriebenen an die Macht gelangt, läßt auf eine weitere Normalisierung hoffen. Die neue sozialdemokratisch ausgerichtete Regierung der Republika Srpska will das Abkommen von Dayton nicht mehr blockieren. Kommt es am Wochenende zum Machtwechsel, wird es leichter sein, den vom Hohen Repräsentanten Carlos Westendorp dekretierten neuen Pässen und der neuen Währung Akzeptanz zu verschaffen. Es kann sogar damit gerechnet werden, daß dann demnächst die Rückkehr der Vertriebenen in die Wege geleitet wird.
Zu dieser Wende wesentlich beigetragen hat die internationale Gemeinschaft, die sich im letzten Jahr auf eine gemeinsame Strategie geeinigt hat. Seit den Konferenzen von Sintra im Mai und Bonn im Dezember 1997 ist das Büro des Hohen Repräsentanten in eine politische Schlüsselrolle geraten. Zielstrebig wurde unter Westendorp die Macht dieser Institution ausgebaut. Mit Zuckerbrot – dem Versprechen von wirtschaftlicher Hilfe – und Peitsche – der Abschaltung des Propagandasenders in Pale – ist es gelungen, nicht nur die serbischen Nationalisten zu spalten. Auch die kroatischen Hardliner sind verschwunden. Und die muslimische Nationalpartei SDA hat in den von Bosniaken kontrollierten Gebieten Konkurrenz durch die erstarkte Linke erhalten.
Die List der Geschichte jedoch ist, daß mit der Wahl Dodiks die Republika Srpska vor dem Zusammenbruch bewahrt wird, denn die Wirtschaftshilfe wird wieder freigegeben. Auch aus diesem Grund bleibt den Extremisten in Pale nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Erich Rathfelder
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