Analyse: Streit um Halbsatz
■ Der UN-Sicherheitsrat berät über die Vereinbarung von Bagdad
Die Beratungen des UN-Sicherheitsrats über die am Sonntag von Generalsekretär Kofi Annan und Iraks Vizepremier Tarek Aziz unterschriebene Vereinbarung werden frühestens Anfang nächster Woche zu einem Ergebnis kommen. Annan verschob inzwischen seine für Montag geplante Reise nach Washington, wo er mit US-Präsident Bill Clinton und Kongreßmitgliedern unter anderem über die 1,5 Milliarden Dollar Schulden der USA bei der UNO sprechen wollte.
Als eines der sechs UN-Organe kann der Generalsekretär verbindliche Abmachungen mit einem Mitgliedstaat treffen. Daher bedarf die Vereinbarung von Bagdad mit dem Status eines „Memorandum of Understanding“ (MoU) zu ihrer Umsetzung nicht notwendig einer Resolution des Sicherheitsrats. Eine solche Resolution würde den völkerrechtlichen Status der Vereinbarung allerdings stärken und ihr zusätzliches politisches Gewicht verleihen.
Grundlage der Beratungen im Rat ist seit Donnerstag ein mit Beteiligung der USA erarbeiteter Resolutionsentwurf Großbritanniens, der der taz vorliegt. Darin „begrüßt“ der Rat die Bagdader Vereinbarung und „unterstreicht die Verpflichtung Iraks zu ihrer Erfüllung“ wie zur „schnellen und vollständigen Umsetzung“ bisheriger Irak-Resolutionen. Umstritten ist lediglich der letzte Halbsatz des Entwurfes, wonach „jegliche Verletzung dieser Verpflichtung schwerste Konsequenzen für den Irak hätte“. Rußland, China und Frankreich lehnen diese Formulierung in einer Resolution ab. Die drei ständigen Staaten im Rat und eine Mehrheit der zehn nichtständigen Mitglieder befürchten einen Automatismus der militärischen Eskalation durch Washington und London. Sie wollen sicherstellen, daß bei Nichteinhaltung der Vereinbarung durch Bagdad militärische Maßnahmen erst nach einem erneuten Ratsbeschluß ergriffen werden.
Die Situation erinnert stark an die Debatte des Rates vom 29. November 1990 vor Verabschiedung von Resolution 678, mit der dem Irak ein Ultimatum für den Rückzug aus Kuweit gesetzt und die UNO-Staaten für die Zeit danach zur „Ergreifung aller notwendigen Maßnahmen“ gegen Irak ermächtigt wurden. In dieser Debatte warnten die Außenminister Malaysias und anderer Staaten vor einem „gefährlichen Präzedenzfall“. Doch ihre Forderung, am Ende von Resolution 679 ausdrücklich festzulegen, daß der Rat nach ergebnislosem Ablauf des Ultimatums an den Irak erneut zusammentritt und erst dann militärische Maßnahmen beschließt, scheiterte. Der Sicherheitsrat befaßte sich bis zum Ende des Golfkrieges am 2. März 1991 überhaupt nicht mehr mit dem Thema Irak. Andreas Zumach
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