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AnalyseZeit für Schlußstrich

■ Eine Wahrheitskommission für das Afrika der Großen Seen?

Endlich gibt es Perspektiven zur Überwindung der blutigen Konflikte um die Großen Seen im Herzen Afrikas, die in den letzten fünf Jahren in Ruanda, Burundi und Kongo/Ex- Zaire weit über eine Million Menschenleben gefordert haben. Neuester Vorschlag des UN-Generalsekretärs Kofi Annan: Eine Wahrheitskommission, um bei der juristischen Aufarbeitung auch die Unterscheidung zwischen Fakten und Propaganda zu ermöglichen.

In die Debatte wurde diese Idee zuerst 1997 von der „Organisation Afrikanischer Einheit“ (OAU) und vom äthiopischen Ministerpräsidenten Meles Zenawi eingebracht. Eine Gruppe von Experten aus allen Erdteilen, so der Vorschlag, solle sich der Ursachenforschung für Völkermord und Haß in der Region um die Großen Seen widmen. Die Initiative soll im Juni von der OAU formell beschlossen werden und ist Teil eines weltweiten Trends, in diesem Teil Afrikas wieder mehr Engagement zu zeigen.

Seit über einem Jahr drängen die Sonderbeauftragten von UNO und EU in der Region, Mohammed Sahnoun und Aldo Ajello, auf eine grundsätzlichere Behandlung der Problematik, was von Wirtschaftsinitiativen zu einer Amnestie für „kleine“ Völkermordtäter in Ruanda reicht. Als erster hochrangiger weißer Politiker sprach Bill Clinton im März direkt in Ruanda die Tatenlosigkeit der Weltgemeinschaft beim Völkermord von 1994 an. Auch vor dem UN-Tribunal zu Ruanda im tansanischen Arusha kommt dies mittlerweile zur Sprache, ebenso – wenngleich übertönt von der lautstarken Selbstgerechtigkeit mancher französischer Politiker – vor dem Ruanda-Parlamentsausschuß in Paris. Und am Freitag fällte das UN-Tribunal endlich sein erstes Urteil.

Der Schuldspruch gegen Jean Kambanda, Premierminister Ruandas während des Völkermords, folgte auf dessen Schuldeingeständnis – was zeigt, daß die Vergangenheitsbewältigung hier andere Wege gehen wird als in Südafrika, wo Geständnisse zur Amnestierung führen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, daß die Krise in Zentralafrika, anders als die Apartheid in Südafrika, noch nicht beendet ist. In Burundi und zunehmend auch wieder in Ruanda herrscht Bürgerkrieg, in Kongo/Ex-Zaire geht das neue Kabila-Regime auf Konfrontationskurs gegen den Rest der Welt.

Eine Wahrheitskommission wäre da ein wichtiger Zusatzschritt. Sie wäre nämlich ein Signal für einen Schlußstrich. Nur wenn feststeht, daß der machtpolitische Status quo nicht weiter gewaltsam verändert werden soll, können die wirtschaftlichen Hilfen fließen, ohne die Frieden eine Illusion bleibt. Eine Wahrheitskommission und ein Marshall-Plan – das ist es, was das Afrika der Großen Seen jetzt braucht, um der Gewalt zu entrinnen. Dominic Johnson

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