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AnalyseZeit im Zen-Garten

■ Arbeitgeberpräsident empfiehlt: Ackert mehr und nehmt euch frei

Es gibt nur wenige Wortungetüme, die die Phantasie anregen. Lebenszeitarbeitskonto ist so eines. Die vier Hauptwörter sind noch nicht auseinandergelegt, schon fliegen die Gedanken auf und davon. Monatelang auf der Veranda eines Tempels in Kioto sitzen und den Mönchen beim Steineharken zusehen, auf einem Pferd durch China reiten oder mit 50 auf ein Hausboot ziehen – alles ist möglich. Man muß nur ein wenig mehr arbeiten als jetzt, die Stunden auf ein Konto legen – wenn genügend zusammen sind, kann man das machen, wofür zuvor keine Zeit war.

Jeden Tag eine Überstunde ergibt im Jahr rund 260 Stunden, macht in zehn Jahren 2.600 oder rundgerechnet 65 freie Wochen. Mach mal Pause in Japan. Bevor aus der schönen eine realistische Vorstellung wird, muß der Arbeitgeberpräsident noch ein paar Nebensächlichkeiten mit den Gewerkschaften klären. Wichtigster Punkt: Wie viele Stunden soll ein Mensch in seinem Leben insgesamt arbeiten? Darauf weiß Hundt keine Antwort. Wie wird das Lebensarbeitszeitkonto geführt? Werden nur Überstunden angerechnet? Was macht ein 25jähriger, der drei Jahre lang 60 Stunden arbeitet, dann entlassen wird und als nächstes nur noch eine Teilzeitstelle findet? Schleppt er die angesparte Zeit irgendwie auf seinem Konto mit sich, muß er sie zum Ausgleich für seine neue Teilzeitstelle einrechnen? Wie kann jemand einfordern, den Zeitüberschuß abzubummeln, wenn der Arbeitgeber es nicht will? Zu diesen und den nächsten zehn Fragen hörten wir bislang kein erläuterndes Wort von Dieter Hundt. Warum auch? Sein Wortungetüm soll nur eine Botschaft transportieren: Die Arbeitszeit muß weiter flexibilisiert werden, die „leidige Überstundendebatte“ muß vom Tisch.

Beschäftigungspolitisch gesehen hat die Idee null Wert. Arbeitgeber, die Mitarbeiter an extrem hohe Arbeitszeiten binden können, denken nicht im Traum daran, den Überstundenberg mittels Neueinstellungen abzubauen. Das ist bereits jetzt so. Statistisch gesehen werden bis zum Jahresende 1,85 Milliarden Überstunden in Deutschland geleistet, je Arbeitnehmer sind das fast 62 Stunden.

Arbeitszeitkontenmodelle gibt es wie Sand am Meer. Die Tarifparteien der Metallindustrie haben vereinbart, die Arbeitszeit für bestimmte Beschäftigungsgruppen dauerhaft um bis zu 18 Prozent anzuheben. Bei der Kreisverkehrsgesellschaft Pinneberg können Überstunden jährlich in Langzeiturlaub bis zu 12 Wochen umgewandelt werden. Geht es um Arbeitszeitfragen, erweisen sich Beschäftigte aller Branchen als hochdynamisch und flexibel.

Der Arbeitgeberpräsident hat keine ernsthafte Arbeitszeitdiskussion im Sinn. Seine Idee von Lebensarbeitszeitkonten lädt zum Spinnen ein. Mehr nicht. Annette Rogalla

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