Analyse: Labours Löcher
■ Der britische Finanzminister kündigt schwere Zeiten an
Für New Labour brechen schwere Zeiten an. Fundamental zu Blairs Projekt einer Erneuerung Großbritanniens war die langfristige Gesundung der Volkswirtschaft, so daß der Teufelskreis aus kurzen Boom-Perioden und nachfolgenden schweren Rezessionen gebrochen wird. Aber nun, nachdem der unter dem konservativen Premierminister John Major entfachte Boom zu Ende gegangen ist, bringen die Asienkrise und die weltwirtschaftliche Unsicherheit Großbritannien schon wieder eine Rezession – zu einem für die Regierung denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Die ökonomischen Prognosen, die der britische Finanzminister am Dienstag bei der Vorstellung seiner Rahmenplanung für den Haushalt vor dem Unterhaus machte, sprechen eine deutliche Sprache. Die Wachstumsprognose für die britische Wirtschaft für 1999 mußte er nahezu halbieren – von 1,75 bis 2,25 Prozent, wie er es noch im März vorhergesagt hatte, auf 1 bis 1,5 Prozent. Selbst diese Prognose ist relativ optimistisch im Vergleich zu der Meinung mancher Ökonomen, und sie hängt von keineswegs sicheren scharfen Zinssenkungen der Bank of England ab. Und die Verlangsamung des Wachstums kommt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem die britische Regierung eigentlich massive Ausgabensteigerungen in Bildungs- und Gesundheitswesen vornehmen will. Wenn sie daran festhält, muß sie die Neuverschuldung erhöhen. Brown plant elf Milliarden Pfund (30 Milliarden Mark) mehr Schulden über die nächsten fünf Jahre. Das erscheint ebenfalls optimistisch, weil unterstellt wird, daß die Wirtschaft ab dem Jahr 2000 kräftig wächst – kräftiger, als Brown bisher für möglich hielt. Die Labour-Regierung wird es also schwerlich vermeiden können, bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2001 oder 2002 eine Old-Labour-Politik der Nachfrageankurbelung zu fahren.
Noch ein anderes Problem kommt auf Labour zu. Browns Prognose zufolge wird die britische Handelsbilanz in den nächsten Jahren massiv ins Minus stürzen. Wird das Defizit für dieses Jahr noch auf 1,75 Milliarden Pfund (4,8 Milliarden Mark) geschätzt, weniger als im März befürchtet, soll es 1999 bereits bei 7,5 Milliarden Pfund liegen (20,6 Milliarden Mark) und 2001 schon bei 9,25 Milliarden Pfund (25,4 Milliarden Mark). Die Londoner City rechnet mit noch viel schlimmeren Zahlen. Riesige Löcher im Haushaltsdefizit, mit der Folge einer Wechselkurskrise, waren schon mehrmals der Todesstoß für Labour-Regierungen. Diesmal könnten die roten Zahlen Blair dazu verleiten, doch noch sein Heil im Euro zu suchen. Aber er könnte sich dann bei den nächsten Wahlen dem Vorwurf schwer entziehen, die Wirtschaft so ruiniert zu haben, daß Europa die Scherben aufsammeln muß. Dominic Johnson
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen