Analyse: Die Teilung vertieft
■ Bosniens Opposition besorgt über Vertrag zwischen Sarajevo und Zagreb
Gestern wurde in Zagreb ein Vertrag über „spezielle Beziehungen“ zwischen der bosnisch-kroatischen Föderation in Bosnien-Herzegowina und der Republik Kroatien unterzeichnet. Dies sei ein Fortschritt im Friedensprozeß, erklären die Sprecher des „Büros des Hohen Repräsentanten“ (OHR), der Administration der internationalen Gemeinschaft in Sarajevo. Ein solcher Vertrag sei durch das Abkommen von Dayton abgedeckt.
Die bosnische Opposition meldet Bedenken an. Ihrer Meinung nach wird durch den Vertrag die Teilung Bosnien-Herzegowinas vertieft. Die Konstruktion von Dayton, das Land in zwei Entitäten aufzuteilen, die bosnisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska, sei bereits im Interesse der Nationalisten gewesen. Mit den speziellen Beziehungen zwischen der bosnisch-kroatischen Föderation und Kroatien werde der Repbulika Srpska die Möglichkeit eröffnet, mit Serbien einen ähnlichen Vertrag abzuschließen.
Davon wollen die internationalen Repräsentanten Carlos Westendorp, Hanns Schumacher und Jaques Klein jedoch nichts wissen. Sie verweisen auf die Vorteile der Regelung: Kroatiens Präsident Franjo Tudjman habe ohnehin in Bosnien-Herzegowina hineinregiert. Mit dem Vertrag würden die Beziehungen durchsichtig gemacht. So würde der etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachenden kroatischen Minderheit mehr Sicherheit gegeben, ihre kulturelle Autonomie zu wahren, ohne direkt an Kroatien angeschlossen zu sein. Die Finanzierung der kroatisch-bosnischen Armee (HVO) würde durchsichtig gemacht und vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet ergäben sich Vorteile. Bosnien-Herzegowina würde den kroatischen Hafen Ploce zur Nutzung erhalten, hätte also ein Tor zur Welt.
In der Tat braucht die Wirtschaft Bosniens diesen „Freihafen“. Auch das Volkswagenwerk in Sarajevo hat ein Interesse daran, sollen von dort aus doch schon im nächsten Jahr Autos exportiert werden. Die wirtschaftliche Bedeutung des Abkommens ist wohl auch der Grund dafür, daß die bosnische Führung unter Alija Izetbegović den Vertrag unterzeichnete.
Trotzdem bleibt ein fader Beigeschmack. Kroatiens Präsident Tudjman wäre nicht er selbst, kalkulierte er nicht mit den Vorteilen, die sich für seine Ziele ergeben: Seit 1991 ist er gemeinsam mit Milošević für die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas eingetreten, 1993/94 haben kroatische und serbische Truppen gemeinsam gegen die Verteidiger Bosniens gekämpft. Er will ein Großkroatien. Mit den speziellen Beziehungen zum bosnisch-kroatischen Teilstaat wird er sicherlich versuchen diesen Traum doch noch zu verwirklichen. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen