Analyse: Lernfähige Asean
■ Südostasiatische Gemeinschaft streitet um Aufnahme Kambodschas
Zum ersten Mal treffen sich heute die neun Staats- und Regierungschefs der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean in Vietnam. Bei dem zweitägigen Gipfel werden sich einige von ihnen sehnsüchtig an alte Zeiten erinnern, als man noch im kleinen Kreis auf dem Golfplatz Politik machte: Alle hielten sich an das geheiligte Prinzip, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Nachbarn einzumischen und sie keinesfalls offen zu kritisieren. Falls es doch mal zum Streit kam, wurde darauf geachtet, daß davon nichts nach außen drang. Der Erfolg schien dem „Asean way“ Recht zu geben: Die Wirtschaft der meisten Mitgliedsländer gedieh, und international gewann das Bündnis an Gewicht.
Doch seit Beginn der Asienkrise ist nicht mehr zu leugnen, daß es hinter der harmonischen Fassade kracht. Das Klima in der einst als antikommunistische Allianz gegründeten Organisation, in denen autoritäre Persönlichkeiten wie Indonesiens Suharto, Malaysias Mahathir und Singapurs Lee Kuan Yew den Ton angaben, hat sich dramatisch verändert. In wichtigen Mitgliedstaaten wie Thailand, Indonesien, Malaysia und den Philippinen verlangt eine neue Generation von Politikern politische Reformen und eine Ende des Schweigens über die Verhältnisse bei den anderen Mitgliedern.
Daß die Politik der Nicht-Einmischung unhaltbar geworden war, zeigte sich spätestens, als Indonesiens brennenden Wälder die ganze Region einräucherten und die Nachbarn den untätigen Suharto nicht kritisieren durften. Mit der Aufnahme von Vietnam, Laos und Birma wurden die Gegensätze in der Asean noch krasser. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt, daß Birmas Junta sich ziviler aufführen würde. Beim jetzigen Gipfel in Hanoi lassen sich die Konflikte nicht mehr übertünchen. Zankapfel ist die Aufnahme Kambodschas. Dessen Premier Hun Sen ist mehreren Mitgliedern nicht geheuer, die Erinnerung an seinen Putsch 1997 noch frisch. Statt wie früher zu schweigen, halten die Gegner von Kambodschas Beitritt ihre Meinung nicht zurück. Offenbar haben sie aus der Pleite mit Birma gelernt. Jutta Lietsch
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