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AnalyseZivildienst kürzer?

■ Grüner Vorstoß für einen zehnmonatigen Ersatzdienst

Nach zwei Jahren der Stagnation geht der Trend wieder nach oben. 171.657 Anträge auf Verweigerung des Wehrdienstes sind 1998 beim Bundesamt für den Zivildienst eingegangen. Deutlich mehr als 1997, als es noch 155.239 Anträge waren. In der Regel wird dem Wunsch der jungen Männer, Ersatzdienst ohne Waffe zu leisten, entsprochen. Rund 90 Prozent der Anträge wurden 1997 nach Angaben des Bundesbeauftragten für den Zivildienst genehmigt. Ähnlich hoch dürfte auch diesmal die Anerkennungsquote sein.

Nach wie vor sind Zivildienstleistende gegenüber Wehrpflichtigen im Nachteil. Ihr Dienst dauert drei Monate länger als der junger Rekruten. Nun drängt die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Angelika Beer erneut auf eine Änderung. Der Zivildienst, so erklärt die verteidigungspolitische Sprecherin in diesen Tagen, sollte künftig zehn Monate dauern – also genauso lange wie der Wehrdienst. Auch sollte die Gewissensprüfung abgeschafft und das frühere Postkartensystem wieder eingeführt werden, nach dem die Jugendlichen einfach ankreuzen mußten, ob sie Wehr- oder Ersatzdienst leisten wollten. Dafür müßte im Bundestag das Zivildienstgesetz geändert werden. Die Chancen stehen eigentlich gut. Immerhin war es der heutige Verteidigungsminister Rudolf Scharping, der in seiner Funktion als Fraktionschef der SPD in der vergangenen Legislaturperiode auf eine Gleichbehandlung von Wehr- und Zivildienstleistenden gedrungen hatte. Scharping hat sich dazu bislang nicht öffentlich geäußert, doch werden ihm nach wie vor Sympathien für eine zeitliche Gleichsetzung von Wehr- und Ersatzdienst nachgesagt.

Die Ungleichbehandlung hat Tradition. 1984 lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen den längeren Ersatzdienst ab. Die Richter führten damals unter anderem die Reservistenübungen an, zu denen Wehrpflichtige nach dem Ende ihres Dienstes herangezogen werden könnten. Zwar wurde parallel zur Verkürzung des Wehrdienstes 1990 der Ersatzdienst von 20 auf 15 Monate verringert und 1995 nochmals um zwei auf 13 Monate. Einer Gleichbehandlung aber erteilte die abgewählte Koalition stets eine Absage.

Sollte die Verkürzung auf zehn Monate kommen – darüber wird in Bonn gesprochen –, werden mancherlei Veränderungen auf die Wohlfahrtsverbände zukommen. Denn viele Sozialdienste können ihre Leistungen nur anbieten, weil sie auf Zivis zurückgreifen können. Manche Ausbildungen aber – wie etwa die zum Rettungshelferassistenten – erfordert ein 520-Stunden-Pflichtprogramm. Ob sich dieser Aufwand bei einem verkürzten Zivildienst noch lohnt, wird schon jetzt von Wohlfahrtsverbänden in Frage gestellt. Severin Weiland

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