Analyse: Kein Befreiungsschlag
■ Die Kabinettsumbildung in Griechenland ist bloße Kosmetik
Ein Befreiungsschlag sollte es sein, aber es wirkt nur wie der kraftlose Versuch einer resignierten Schadensbegrenzung. Die vom griechischen Ministerpräsident Kostas Simitis vorgenommene Neubesetzung der Ministerien, die ganz Griechenland für die „nationale Schmach“ von Nairobi verantwortlich macht, wird der angeschlagenen Regierung und der sie tragenden Pasok-Partei nicht viel weiterhelfen. Eine Umgruppierung innerhalb der Ministerriege war in Athen schon immer die billigste Methode, einer alt aussehenden Regierung kurz vor Wahlen das Profil zu liften. Nach dem Öcalan-Debakel kann das Lifting nur eine groteske Grimasse zustande bringen. Denn die alten Minister sind nicht nur wegen persönlichen Versagens entlassen worden, sie waren zugleich die Sündenböcke für ein kollektives Desaster, das die meisten Griechen Ministerpräsident Simitis anlasten.
Die neuen Namen sollen Simitis vor allem innerparteilich Luft verschaffen. Vasso Papandreou und Evangelos Venizelos, denen die innenpolitischen Ressorts übertragen werden, repräsentieren in der Pasok Parteiströmungen, die über die engere Simitis-Gefolgschaft hinausreichen. Giorgos Papandreou als neuer Außenminister steht nicht nur für die Kontinuität einer Europa zugewandten Außenpolitik, die sich auch durch türkische Provkationen nicht zu den populistischen Reflexen verführen läßt, für die sein Vater bei den EU- Partnern so berüchtigt war. Als Träger des dynastischen Namens Papandreou kann er Simitis bis zu einem gewissen Grade gegenüber der innerparteilichen Opposition abdecken, die lieber heute als morgen Simitis durch Verteidigungsminister Akis Tsochatsopoulos ersetzen würde.
Dennoch ist zweifelhaft, ob Simitis den Parteikongreß vom März unbeschädigt übersteht. Vor Nairobi konnte er sicher sein, als Parteivorsitzender bestätigt zu werden. Jetzt droht genau das Szenario, das er vermeiden wollte: Der Kongreß wird nicht wie geplant die Einheit der Partei hinter Simitis zelebrieren, sondern der ganzen Nation erbitterte Redeschlachten über das Versagen der Regierung und die verlorene Würde Griechenlands bieten. Wenn der Ruf nach einem Neuanfang unwiderstehlich wird, könnte sich Akis Tsochatsopoulos als Retter in schwieriger Lage aufdrängen. Wie durch ein Wunder war er der einzige wichtige Minister, der mit dem Fall Öcalan nicht belastet ist, weil ihn keiner informiert hatte.
Selbst wenn Simitis den Parteitag überstehen sollte, ist die nächste Niederlage programmiert. Die Europawahlen im Juni sind für die Pasok verloren. Sie haben zwar keine rechtlichen Konsequenzen für die Regierung. Aber wenn die Niederlage so vernichtend ausfällt, wie es heute aussieht, werden die Karten in Athen völlig neu gemischt. Niels Kadritzke
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen