Analyse: Euro-König Blair?
■ Die britische Regierung bereitet sich auf die Einführung des Euro vor
Großbritanniens Regierung will den Euro, und zwar ganz schnell. Dies könnte man denken, wenn man einige der politischen Reaktionen auf Premierminister Tony Blairs Ankündigung zum Thema vom Dienstag nachmittag verfolgt. Aber nichts ist passiert, außer daß Blair sich vor das Unterhaus stellte und sagte, er wolle „einige Einzelheiten“ des 1998 versprochenen „National Changeover Plan“ bekanntgeben. Dieser „nationale Wechselplan“ ist ein Vorbereitungsprogramm für Regierungsbehörden, wie eine eventuelle Währungsumstellung in Großbritannien zu bewältigen sei, und legt für die Vorbereitungen einer solche Umstellung Geld beiseite. Er ist eine Bürokratenanleitung.
Viel Neues sagte Blair ansonsten nicht. Eine Regierungsentscheidung über einen Beitritt zum Euro wird es nach wie vor erst nach den nächsten Parlamentswahlen geben – frühestens 2001. Eine solche Regierungsentscheidung bedeutet auch nur, daß eine Volksabstimmung in die Wege geleitet wird. Sollten die Wähler für den Euro stimmen, dauert es noch etwa drei Jahre bis zur Einführung der neuen Währung.
London macht eine Pro-Euro-Entscheidung von ökonomischen Bedingungen abhängig – wie ein Gleichschritt der britischen und kontinentaleuropäischen Konjunktur. Blair präzisierte jetzt erneut, eine solche „Konvergenz“ müsse „nachhaltig“ sein. Das dauert, vor allem in den heutigen weltwirtschaftlich unsicheren Zeiten. Und Blair fügte den bekannten ökonomischen Kriterien ein paar neue politische hinzu. Der Euro sei ein „durch und durch politisches“ Projekt, sagte er – bisher war dieses Argument Domäne der Euro-Skeptiker. Er lobte den Euro vor allem wegen seines Wirtschaftsraums; ansonsten müsse er sich noch beweisen. Und nicht zuletzt müsse die EU noch viele Reformen nach New- Labour-Stil anpacken, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, damit der Euro nicht Labours Politik wieder verwässere. Ein britischer Beitritt zum Euro wäre dann geboten, „wenn er britische Macht und britischen Einfluß stärkt“.
Es gab Momente in Blairs Rede, wo es klang, als sollte nicht Großbritannien der Euro-Zone beitreten, sondern umgekehrt. Aber das merkte keiner. Die rechtskonservative, aber Blair-freundliche Sun titelte gestern: „Blair bereitet die Abschaffung des Pfundes vor“ und nannte den Wechselplan „völligen Blödsinn“. Die Konservativen spalteten sich zwischen schäumender Mehrheit und freudig erregter europhiler Minderheit. Politisch nützt es tatsächlich Euro-Gegnern und Euro-Anhängern, Blair jetzt als Euro-Konvertiten darzustellen und dann wahlweise auf ihn einzuschlagen oder ihn in den Himmel zu heben. Nur hat es mit den wahren Beweggründen von Blairs bedingter Europhilie wenig zu tun. Dominic Johnson
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