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American pieSchonfrist für den Ballwerfer

BASEBALL Matt Harvey, Pitcher der New York Mets, droht mit ArbeitsverweigerungDer Sommer ist ein guter in New York. Die von der Stadt geliebten Yankees sind – allen Unkenrufen zum Trotz – auf dem besten Wege, sich für die Playoffs zu qualifizieren. Aber nicht nur das, auch die New York Mets, die Baseball-Mauerblümchen der Metropole, spielen eine über­raschend gute Saison, die beste seit vielen Jahren.

Aktuell führen die Mets die National League East souverän an. Der erste Tabellenplatz in jeder der sechs Divisionen berechtigt zur Teilnahme an den Playoffs, die Anfang Oktober beginnen. Am Montag kamen die Mets diesen Playoffs einen guten Schritt näher: Im direkten Duell mit den Washington Nationals gab es einen 8:5-Erfolg.

Das große Thema war allerdings nicht der Sieg, sondern jemand, der gar nicht auf dem Feld stand. Ein gewisser Matt Harvey ließ verlauten, er habe sich dazu durchringen können mitzuspielen, wenn die Mets die K.o.-Runde erreichen sollten. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Schließlich ist Harvey Angestellter der Mets und wird als Pitcher von ihnen dafür bezahlt, einen Baseball hart zu werfen.

Tatsächlich wirft der 26-Jährige einen Baseball dermaßen hart und schnell, dass das seiner Gesundheit nicht zuträglich ist. Vor vier Jahren entwickelte sich der damalige Jungprofi zum Darling der New Yorker. Nicht nur warf niemand so konstant gut wie Harvey – regelmäßig nahezu 160 Stundenkilometer –, er inszenierte sich auch als harter Hund, der auf dem Spielfeld alles gibt. Nebenbei genoss er ausgiebig die Aufmerksamkeit, ließ kaum einen öffentlichen Auftritt aus, stolzierte mit fröhlich wechselnder Damenbegleitung über die roten Teppiche und ließ sich nackt für ein Hochglanzmagazin ablichten. Harvey wurde zum Messias für einen Klub, der in der Mittelmäßigkeit versunken war, und schließlich vom Magazin Sports Illustrated als „The Dark Knight“ aufs Cover gehoben. Die Ernennung zu Batman, Retter von Gotham City, allerdings bekam ihm nicht. Kurz danach verletzte er sich schwer und musste operiert werden.

Nach der sogenannten Tommy-John-OP, bei der die beschädigte Sehne im Ellbogen mit Material aus anderen Körperteilen ersetzt wird, musste Harvey ein Jahr lang aussetzen. Als er zu Beginn dieser Saison zurückkam, schien der Rechtshänder so stark wie zuvor. Doch Anfang September ließ sein Berater Scott Boras, einer der einflussreichsten Agenten im US-Sport, verlauten, sein Klient möge doch bitte nicht so oft eingesetzt werden. Vor allem die Belastung in den Playoffs sei ein Gesundheitsrisiko für seinen Goldesel. Und als Harvey selbst erklärte, er denke darüber nach, auf Anraten seines Arztes den Dienst vorzeitig einzustellen, brach ein Sturm der Entrüstung los. Aus dem Liebling der Massen war plötzlich ein Verräter geworden, die Schande der Stadt. Die Aufregung wurde eher noch größer, als zusätzlich herauskam, dass das Management der Mets ihrem Star-Pitcher versprochen hatte, ihn nur dosiert einzusetzen.

Die Farce um Harvey wirft ein Schlaglicht auf ein Dilemma, das nicht nur die Mets, sondern die ganze MLB betrifft. Gute Pitcher sind ein rares Gut und entsprechend teuer. Die Klubs binden ihre besten Kräfte mit Verträgen an sich, die bisweilen mehr als 100 Millionen Dollar schwer sind. Solch einen Vertrag dürfte wohl auch Harvey nach dieser Saison, in der er mit gut 600.000 Dollar Salär als Schnäppchen durchgeht, unterschreiben – vorausgesetzt, er bleibt gesund. Ein solcher Vertrag aber kann, wenn er sich als Fehlinvestition entpuppt, die Perspektive einer ganzen Franchise ruinieren.

So steht schon Wochen vor dem Saisonende bereits ein ­Verlierer fest: Matt Harvey, der werfende Batman.

Thomas Winkler

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