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American PieVier Jahre Hoffen und Bangenum das Jahrhunderttalent

BASKETBALL Nach langer Verletzungspause spielt der einst allseits so gepriesene Spanier Ricky Rubio wieder für die Minnesota Timberwolves

Ein Highlight blieb noch aus am Sonntag in Memphis, Tennessee. Und doch, allein schon die 23 Minuten, die Ricky Rubio für die Minnesota Timber­wolves bei den gastgebenden Grizzlies auf dem Parkett stand, waren Highlight genug – irgendwie. Die 68:90-Niederlage im NBA-Saisonvorbereitungsspiel geriet für den Klub aus dem Norden ganz in den Hintergrund.

„Ich fühle mich noch etwas rostig, aber das ist nur eine Frage der Zeit“ sagte Rubio nach der Partie. Gerade hatte der Aufbauspieler nämlich sein erstes Spiel seit März bestritten, eine komplizierte Bänderverletzung setzte den Spanier in 60 von 82 Spielen der letzten Saison außer Gefecht, dazu kam in der Vorbereitung auf die neue Spielzeit eine Zerrung im Oberschenkel. Nach den ersten Minuten zurück auf dem Feld zeigte sich Rubio optimistisch: „Keine Sorge, bis zum Saisonstart bin ich bereit.“

Rubio weiß um die prekäre Situation. Denn die Position des 25-Jährigen im Team steht auf dem Prüfstand. Durch die letztjährige Vertragsverlängerung, die ihm über vier Jahre 56 Millionen US-Dollar einbringt, ist er der bestbezahlte Spieler der Mannschaft – und erhält diese stattliche Summe wohl vor allem für sein Potenzial. 2011 wechselte der 1,93-Meter-Mann in die NBA – als mit individuellen Auszeichnungen und Olympia-Silber 2008 dekoriertes Jahrhunderttalent. Die chronisch schwachen Timberwolves sollte er wiederbeleben. Der erhoffte ganz große Durchbruch ist bisher aber ausgeblieben.

Viel mehr noch: Mittlerweile haben ihm andere den Rang als Hoffnungsträger abgelaufen. Mit dem 19-jährigen Center Karl-Anthony Towns, beim diesjährigen Draft – der jährlichen Talentauswahl von Spielern aus College-Teams und dem Rest der Welt – als Top-Talent verpflichtet, dem gleichaltrigen Kodebütanten Tyus Jones sowie Flügelspieler Andrew Wiggins und Shooting Guard Zach LaVine, beide 20, stehen gleich vier Akteure im Kader, denen eher früher als später der Durchbruch zum Star zugetraut wird. Sie sollen nun für Highlights sorgen. Brisant ist zudem, dass Jones ebenfalls auf der Spielmacherposition agiert und während Rubios verletzungsbedingter Abwesenheit in den Vorbereitungsspielen einen guten Eindruck hinterließ. Die Geduld des Klubs scheint endlicher denn je.

Rubios Qualitäten sind auch 2015 unbestritten: Der Spielmacher mit der Schuljungenfrisur versprüht mit vielen kleinen Tricks das Flair eines Straßenbasketballers. Wichtiger noch: Er ist ein herausragender Vorbereiter, ein exzellenter Verteidiger, hat ein hervorragendes Spielverständnis. Trotzdem ist Rubio aber oft zu verspielt, schenkt Bälle ungezwungen her, denkt den zweiten Schritt vor dem ersten. Die größte Schwäche bleibt bis heute der Wurf. Rubios durchschnittliche Quote seiner bisherigen NBA-­Karriere liegt bei 36,7 Prozent, bei den Dreipunkteversuchen sind es gerade mal 31,4. Zum Vergleich: Aufbauspieler Stephen Curry von den Golden State War­riors, aktuell wohl treff­sicherster Spieler im Weltbasketball, erzielte in der letzten Spielzeit Quoten von knapp 49 und 41 Prozent. Rubio selbst sieht sich als Aufbauspieler alter Schule, der erst an den Pass und zuallerletzt an den eigenen Wurf denkt. Dabei gibt auf der Spielmacherposition heute ein anderer Typ den Ton an: athletisch, explosiv, spektakulär, stark im Passspiel, noch stärker im eigenen Abschluss. Noch im letzten Jahr engagierten die Timber­wolves den ehemaligen Bundes­liga-Spieler Mike Penberthy als Wurftrainer. Eine sichtbare Verbesserung blieb bisher aus. ­„Ricky soll unser Team führen“, sagt Timberwolves-Manager Milt Newton leicht verzweifelt. „Es ist kein Muss, dass er an seinem Wurf arbeitet.“

Dazu kamen die Verletzungsprobleme: In vier Liga-Jahren stand Rubio nur in 202 von 312 möglichen Saisonspielen auf dem Parkett. Längst wird über ein Ende des Rubio-Projekts in Minneapolis spekuliert. „Wir sprechen mit niemandem über einen Wechsel von Ricky. Er ist ein wichtiger Bestandteil unseres Teams“, musste der rührige Newton in den vergangenen Wochen immer wieder betonen. Für die Highlights sollen aktuell aber andere sorgen. David Emanuel Digili

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