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American PieMissionar sucht Anschluss

Football Nach fast anderthalb Jahren ohne Klub kämpft der einst so hoch gehandelte Quarterback Tim Tebow um einen Platz bei den Philadelphia Eagles

Er zögert. Überlegt. Wartet einen Moment zu lange. Dann wirft Football-Profi Tim Tebow endlich den Pass – und wird nicht nur von den gegnerischen Verteidigern attackiert, der Ball landet dazu auch direkt in den Armen eines Gegenspielers. Chip Kelly hatte genug gesehen. Der stämmige Coach der Philadelphia Eagles hatte seinen Quarterback extra für jene „2-Point-Conversion“, eine anspruchsvolle Chance auf Extra-Punkte nach einem Touchdown, auf das Feld geschickt. „Ich finde, Tim hat deutliche Fortschritte gemacht, seit er bei uns ist“, betonte der als exzentrisch verschriene Mittfünfziger nach Ende des Testspiels gegen die Green Bay Packers. Die Partie wurde 39:26 gewonnen – im Mittelpunkt stand jedoch der kurz eingesetzte Tebow.

„Seine Wurfbewegung, seine Passgenauigkeit haben sich konsequent verbessert – er hatte eine gute Saisonvorbereitung,“ sagte Kelly trotz der Patzer. Für Tebow geht es aktuell um alles. In diesen Tagen müssen die Klubs der NFL (National Football League) ihre aufgeblähten Kader auf 75 Akteure zusammenstreichen, am 5. September – fünf Tage vor Saisonstart – wird der Rotstift dann noch einmal angesetzt, um letztlich die vorgeschriebenen 53 Spieler im Team zu haben.

Tebow kämpft um einen Platz. Der 28-Jährige war zuletzt seit fast anderthalb Jahren Jahren ohne Klub, ehe ihn die Eagles im April verpflichteten. Eine äußerst bewegte Karriere hat er bereits hinter sich. Schon zu Universitätszeiten hatte sich Tebow bei den Florida Gators einen Ruf als talentierter Lenker und Denker erworben, wurde mit allerlei Preisen ausgezeichnet und schien für eine große Laufbahn bestimmt. Bei den Profis jedoch fiel der auf den Philippinen geborene Missionarssohn eher durch Frömmeleien denn durch konstante spielerische Großtaten auf. Seine Gebetspose auf einen Knie auf dem Footballfeld ist als „Tebowing“ längst in den US-Sprachgebrauch eingegangen, ebenso oft kopiert wie verballhornt. Der so Gläubige war von Beginn an auch Reizfigur: Tebow war Hauptdarsteller eines unsäglichen Anti-Abtreibungs-Werbespots der erzkonservativen Organisation „Focus on the Family“ und betonte immer wieder stolz seine Enthaltsamkeit vor der Ehe.

Alles Gottvertrauen half bisher wenig: Bei den Denver Broncos, in deren Leibchen die Profikarriere des hünenhaften Tebow 2010 begann, war ihm kein langfristiges Glück vergönnt. Dem unbestrittenen Talent unterliefen immer wieder unnötige Ballverluste, die Fehlpassquote war eines Spitzenspielers nicht würdig. John Elway, Quaterback-Legende der Broncos und damals wie heute Klubvize, verkündete trotzdem: „Wir haben Tim als Stammspieler eingeplant.“ Die Zweifel aber siegten. Mit Superwerfer Peyton Manning verpflichteten die Broncos 2012 einen der Besten aller Zeiten, Tebows Abschied war besiegelt. Der folgende Wechsel zu den New York Jets brachte ebenfalls kein Glück, wie auch die letzte Station, die New England Patriots, die sich Ende August 2013 kurz vor Saisonstart gegen Tebow entschieden – in derselben Phase der Vorbereitung, in der sich heute die Eagles befinden. Seitdem arbeitete Tebow als TV-Experte.

Die erste Geige wird Tebow ohnehin nicht mehr spielen, es geht einzig um die Position hinter Stamm-Quarterback Sam Bradford und dessen Vertreter Mark Sanchez – Ersatz für den Ersatz also. Es wird dennoch eine wichtige Woche für Tebow. Am Donnerstag findet das letzte Testspiel bei den New York Jets statt. „Verbreite Liebe überall“, twitterte Tebow zuletzt ein Zitat von Mutter Teresa. „Lasse jeden, der dich besucht, glücklicher gehen.“ Ob auch Tim Tebow endlich glücklich wird in der NFL, wird sich zeigen. DAVID-EMANUEL DIGILI

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