American Pie: Matador und Bulle
■ NHL: Wayne Gretzky trifft wieder, aber die New York Rangers verlieren
I couldn't take one more step
Auch wenn er es nicht zugeben mochte, ein Stein von beachtlichem Ausmaß dürfte Wayne Gretzky vom Herzen gefallen sein, als er am letzten Freitag für die New York Rangers sein erstes Tor des Jahres erzielte. 21 Spiele hatte die Flaute gedauert, die längste torlose Periode seiner 18jährigen Karriere in der Eishockeyliga NHL. Nicht daß er in dieser Zeit schlecht gespielt hätte. Emsig verteilte „The Great One“ seine berühmten Assists. 61 davon hat er in der Saison 96/97 bisher zustandegebracht, dazu 17 Tore. Das reicht zu Platz vier in der Scorerliste hinter Lemieux (43 Tore/53 Assists), Jagr (45/42) und Selanne (35/44).
Trotz Beendigung seiner Torblockade war Gretzky jedoch vergrätzt, schließlich fiel der erlösende Treffer bei einer 2:7-Niederlage in Hartford. „Die Flaute zu beenden bedeutet überhaupt nichts“, zürnte der elegante Puckvirtuose mit der Nummer 99, „unsere gesamte Vorstellung war schlapp.“ Tags drauf gab es ein 1:2 in Philadelphia, in den letzten elf Spielen wurde nur einmal gewonnen. Wenn es so weitergeht, könnte die Qualifikation für die Playoffs in Gefahr geraten. Peinlich für ein Team, das als heißer Favorit gestartet war.
Ursprünglich hatte Gretzky seine Karriere bei den St. Louis Blues beenden wollen, zu denen er Mitte der letzten Spielzeit aus Los Angeles gekommen war. Er hatte sogar schon „9.000 Dollar für vier Dauerkarten der Cardinals hingeblättert“, das Baseballteam von St. Louis. Nach einer schwachen Leistung in einem Playoff-Spiel zogen die Blues jedoch plötzlich das Vertragsangebot für die nächste Saison vorübergehend zurück, und der sensible Gretzky war so beleidigt, daß er prompt für zehn Millionen Dollar bei den Rangers unterschrieb.
Von der Zusammenführung des Stürmerstars Mark Messier mit seinem alten Mitstreiter Gretzky erhoffen die Fans in New York nichts weniger als die Wiederholung des Stanley-Cup- Gewinns von 1994. Schließlich haben die beiden 36jährigen je fünf Meisterschaften geholt, die meisten davon bei den Edmonton Oilers, wo sie gemeinsam stürmten – „einer wie ein Bulle, der andere wie ein Matador“ (Sports Illustrated).
Nach schwachem Saisonstart schien die Mannschaft im Dezember, als von 18 Spielen 14 gewonnen wurden, ihre Form gefunden zu haben. Doch das neue Jahr zeigte, wie sehr die Rangers von Gretzky, Messier, Verteidiger Brian Leetch und Torwart Mike Richter abhängen. Als es gut lief, so Coach Colin Campbell, hätten die vier „Zeiten der Größe“ gehabt. „Wenn dies nicht der Fall ist, bleibt nicht viel.“ Wayne Gretzky weiß, daß die Zeit drängt: „Wir müssen unseren Kram auf die Reihe kriegen.“
An eine Sache denkt der Eismatador im Moment überhaupt nicht mehr: an seinen Abschied. Auch nicht, wenn die Rangers tatsächlich den Stanley Cup holen. Gretzky: „Dann versuche ich, noch einen zu gewinnen.“ Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen