American Pie: NBA ohne Häuptling
■ Robert Parish beendet seine Karriere
I started singin', bye, bye, Miss American Pie
Eine der unterhaltsamsten Szenen in dem Film „Einer flog über das Kuckucksnest“ ist jenes Basketballspiel, in dem der schweigsame Indianer mit stoischer Ruhe einen Ball nach dem anderen in den Korb stopft.
Robert Parish wirkte schon in jungen Jahren wie die perfekte Kopie des „Häuptlings“, wie ihn McMurphy (Jack Nicholson) im Film nennt, und so ist es kein Wunder, daß der 2,16 m lange Center den Namen „Chief“ verpaßt bekam. Ohne große Worte ging der Mann aus Lousiana seit 1976 in der NBA seinem Handwerk des Punktens und Reboundens nach, seine größte Zeit erlebte er in den 80er Jahren bei den Boston Celtics, mit denen er drei Meistertitel gewann.
Doch während die anderen Celtics-Stars von damals längst als Teammanager (Kevin McHale), TV-Journalisten (Bill Walton) oder Trainer (Larry Bird, Danny Ainge) arbeiten, jagte Parish immer noch den Bällen nach – zuletzt bei den Chicago Bulls, mit denen er eine weitere Meisterschaft gewann, ohne allzu häufig in Aktion zu treten. Parish akzeptierte diese Rolle klaglos, ganz zufrieden war er mit dem Wandel vom Chief zum „Sitting Bull“ aber offenbar nicht. Wenige Tage vor seinem 44. Geburtstag erklärte er jetzt seinen Rücktritt. „Ich denke, meine Zeit ist abgelaufen“, meinte der Akteur mit der extravaganten Nummer 00, „ich habe es einfach satt.“ Nicht das Basketballspielen wohlgemerkt, „sondern die anderen Dinge, Trainingscamps und so“.
Die ersten seiner 1.611 Matches (NBA-Rekord) spielte Parish für die Golden State Warriors. 1980 holte ihn der legendäre Red Auerbach nach Boston, wo er die perfekte Ergänzung zu Wühler McHale und zum genialen Larry Bird war. Wenn Bird nicht traf, war unfehlbar Parish da, schnappte sich den Rebound und legte ihn formvollendet ins Körbchen. Rund 19 Punkte pro Spiel und etwa 800 Rebounds pro Saison pflegte der Center, der von Verletzungen fast völlig verschont blieb, in den 80er Jahren zu holen. Neunmal wurde er ins All-Star-Team des Ostens berufen. 1994 von den Celtics entlassen, dachte Parish noch längst nicht ans Aufhören. Zwei Jahre spielte er bei den Charlotte Hornets, bevor er zu den Bulls stieß.
In den Sammlungen der größten NBA-Stars taucht der stille Parish selten auf, und auch für das Dream Team von Barcelona 1992 wurde er nicht nominiert. Als unterschätzt kann man ihn dennoch kaum bezeichnen. Immerhin wählte ihn die NBA letztes Jahr in den Kreis der 50 größten Spieler aller Zeiten, und seine Aufnahme in die Hall of Fame ist nur eine Frage der Zeit. Auch nach Ende seiner aktiven Laufbahn will Parish dem Basketball als Coach oder Fernsehkommentator verbunden bleiben. Und wer in einem eventuellen Remake vom „Kuckucksnest“ die Rolle des Indianers spielt, ist ohnehin keine Frage. Matti Lieske
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