American Pie: Eine Torflut bleibt aus
■ Die Eishockeyliga NHL strebt nach mehr Attraktivität – bislang vergeblich
The day the music died
Weiterhin gibt es keine Fortschritte in der NBA, deren Arbeitskampf sich müde und ohne jede Verhandlung zwischen Ligaführung und Spielergewerkschaft weiterschleppt – eigentlich eine Gelegenheit für andere Sportarten, in die Bresche zu springen und die Aufmerksamkeit zu erheischen, die sonst den Jumpshots von Michael Jordan zuteil würde. Oder auch nicht – aber das steht auf einem anderen Blatt.
Da wäre zum Beispiel die Eishockeyliga NHL, die durch ein paar Regeländerungen in der Saison 1998/99 erheblich spektakulärer und vor allen Dingen torreicher werden sollte. Die unansehnlichen Hakeleien und Ringkämpfe wollte man reduzieren, das Spiel beschleunigen und dadurch die Torquote erhöhen, die letzte Saison auf einen Rekordtiefstand von 5,3 pro Spiel sank. Zu diesem Zweck wurden die Tore einen halben Meter nach vorn verlegt, um dahinter mehr Bewegungsfreiheit zu schaffen, man gestaltete die Kleidung der Keeper stromlinienförmiger, reduzierte den Torraum, um die Zahl der dort erzielten ungültigen Treffer zu verringern, verschärfte die Regeln bezüglich Behinderung und verhängt härtere Strafen für absichtliche Fouls. Im vergangenen Jahr bekamen die Fans einige der treffsichersten Superstars, etwa den eleganten Paul Kariya, wegen Verletzung nach üblen Stock- Attacken auf Kopf und Körper lange Zeit nicht zu sehen.
Besonders technisch versierte Cracks aus Europa, die das rauhe, körperbetonte „kanadische“ Spiel auf enger Eisfläche nicht sonderlich lieben, begrüßen die Neuerungen. „Es ist aufregender geworden“, findet Pittsburghs Tscheche Jaromir Jagr. Der gewünschte Effekt trat jedoch nicht ein. Der Toreschnitt sank zeitweise sogar auf deprimierende 4,9, der niedrigste Stand seit Einführung dieser statistischen Größe im Jahre 1955. Schon dreimal gab es ein 0:0, das vierte wurde am Sonntag knapp vermieden, als Anaheim die Calgary Flames mit 1:0 bezwang. „Wenn ich wüßte, daß es 0:0 ausgeht“, sagt Jagr stellvertretend für die Eishockeyfans, „würde ich zu Hause bleiben und lieber schlafen gehen.“
Die Aufstockung der Liga habe zu viele mittelmäßige Akteure in die NHL gebracht, die nur verteidigen könnten, nennt Generalmanager Dave Taylor von den Los Angeles Kings einen Grund für die Flaute. Zudem, ergänzt Washingtons Manager George McPhee, seien die Mannschaften in der Defensive „besser denn je“ eingestellt. Ein weiterer Faktor ist nach Meinung von Mark Messier die gestiegene Qualität der Torhüter. „Sie können alle möglichen Regeln ändern“, so der Stürmer der Vancouver Canucks, dem kürzlich sein 600. Treffer gelang, „man muß den Puck immer noch am Keeper vorbeikriegen.“ Eine noch simplere Erklärung für das Ausbleiben der erhofften Torflut hat Angreifer Shawn McEachern von den Ottawa Senators: „Es sind dieselben Jungs, die spielen.“ Immerhin: Wenigstens spielen sie. Matti Lieske
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