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American PieEs ist Herbst geworden

■ Die überraschenden Cincinnati Reds verlängern Marge Schotts Schonfrist

Drove my Chevy to the levy but the levy was dry

Der Herbst ist da. Die Boys of Summer, wie die Baseballspieler liebevoll genannt werden, befinden sich in der letzten Woche ihrer regulären Saison. Am 5. Oktober beginnen die Playoffs, für die bereits die New York Yankees, Cleveland Indians, Texas Rangers, Atlanta Braves und Arizona Diamondbacks qualifiziert sind.

Es ist Herbst geworden. Auch für Marge Schott. Die mal gefürchtete, mal belächelte Besitzerin der Cincinnati Reds war am Montag nach dem 9:7-Erfolg der Reds gegen die St. Louis Cardinals vielleicht zum letzten Mal auf einem Baseballfeld zu sehen. Sichtlich gebrechlich stützte sich die inzwischen 70-jährige Kettenraucherin nach dem letzten Heimspiel der Reds auf ihren geliebten Bernhardiner Schottzie II. Mitte September hatte sie ihren 38prozentigen Klubanteil für 67 Millionen Dollar verkauft.

Damit hat das Alter geschafft, was dem organisierten Baseball selbst nie gelungen war: die unbequeme Schott und ihre antisemitischen, frauenfeindlichen und rassistischen Äußerungen endlich los zu werden. Schott, die noch vor drei Jahren fand, dass Hitler „tolle Autobahnen gebaut hat“, war zwar schon mehrmals suspendiert, aber weigerte sich erfolgreich, die Kontrolle über das Team völlig abzugeben.

Nun aber spielen die Reds so erfolgreich wie lange nicht, könnten erstmals seit 1995 wieder die Playoffs erreichen und damit die Schonfrist für Schott verlängern. Was eine sportliche Sensation ist: Denn zum einen sind die in einem kleinen Fernsehmarkt beheimateten Reds eins der ärmeren Teams der Liga. Zum anderen gilt Schott, die afroamerikanische Spieler einmal als „million dollar niggers“ bezeichnete, als notorisch geizig. Die Gehaltssumme der Reds ist nur etwa halb so groß wie die der Spitzenteams. Vielleicht liegt der überraschende Erfolg ja darin begründet, dass die Spieler nicht mehr vor jedem Spiel den inzwischen verstorbenen Original-Schottzie streicheln müssen, wie es die Imperatorin früher verlangte.

Neben Schott verabschiedet sich eine gar noch ältere Baseball-Institution: das Tiger Stadium. Am Montag gewannen die Detroit Tigers ihr letztes Heimspiel im ältesten Baseballstadion der Welt mit 8:2 gegen die Kansas City Royals. Seit 103 Jahren wurde an der Ecke Michigan und Trumbull Street professioneller Baseball gespielt. Zuerst in einem kleinen Stadion für 8.000 Zuschauer, das 1912 durch eine 23.000 Menschen fassende Arena ersetzt wurde. Es folgten 87 Jahre mit 3.764 Siegen, 3.090 Niederlagen, 19 Unentschieden, ungezählten Namensänderungen und immer wieder Renovierungen und Vergrößerungen. Ty Cobb, der wohl beste Baseballer aller Zeiten, hat hier zwölf seiner Titel als bester Schlagmann gewonnen. 1968 siegten die Tigers hier gegen St. Louis in einer der dramatischsten World Series der Geschichte.

Ab dem nächsten Frühling werden die Tigers dann zwar keine Meile entfernt spielen, aber in einem brandneuen Stadion, das – inzwischen unvermeidlich – nach einem für diese Ehre gut bezahlenden Konzern benannt ist.

Es ist Herbst geworden, wie jedes Jahr. Marge Schott geht, das Tiger Stadium wird abgerissen. Comerica Park – so und ähnlich heißen mittlerweile eben die Zeichen der Zeit.

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