American Pie: Hack-a-Shaq
■ Schon wieder ist Lakers-Star Shaquille O'Neal Stammgast an der Freiwurflinie
„If the bible tells you so“
Eine ganze neue Erfahrung wird Basketball-Coach Phil Jackson derzeit bei den Los Angeles Lakers zuteil. Hilflos muss der siebenfache NBA-Champion (einmal als Spieler mit den New York Knicks, sechsmal als Coach der Chicago Bulls) mit ansehen, wie sein Superstar permanent absichtlich gefoult wird. Bei Michael Jordan in Chicago wagten es die wenigsten Kontrahenten, eine solche Majestätsbeleidigung zu begehen, bei Shaquille O'Neal jedoch ist das „Hack-a-Shaq“ immer häufiger Bestandteil gegnerischer Taktik. Abgesehen davon, dass dem Lakers-Center das Charisma eines Jordan fehlt, liegt der Grund darin, dass O'Neal immer noch keine Freiwürfe kann. 51-mal stand er in dieser jungen NBA-Saison schon an der Freiwurflinie, nur 20-mal traf er.
Ein gefundenes Fressen für inferiore Teams wie etwa die Dallas Mavericks, deren Coach Don Nelson am letzten Sonntag im Schlussviertel die Jagd auf Shaq eröffnen ließ. In nicht mal vier Minuten wurde O'Neal siebenmal gefoult, teilweise in der eigenen Hälfte, weit weg vom Ball. Die Lakers gewannen trotzdem, und so konnte Jackson die Angelegenheit auf die leichte Schulter nehmen. „Nellie schafft es, jedes Spiel zu versauen“, spottete er über den Kollegen Nelson, „der Kerl sitzt in der Regelkommission und findet mehr Wege, die Regeln zu umgehen, als Richard Nixon als Präsident.“
Weniger gelassen war Phil Jackson nach dem Match bei den Portland Trail Blazers. Da war Shaquille O'Neal mehrfach grob gefoult und zehn Minuten vor Ende disqualifiziert worden, weil er sich beschwert und dem Übeltäter Jermaine O'Neal (nicht verwandt) den Ball vor die Brust gerammt hatte. Von seinem Angstgegner befreit, trumpfte Portlands Arvidas Sabonis danach groß auf, warf elf Punkte in Folge und die Blazers gewannen 97:82. Jackson kritisierte Shaq zwar wegen seiner Unbeherrschtheit, gab die Hauptschuld jedoch den Schiedsrichtern. „Sie waren fürchterlich“, rügte er, „dreimal wurde er absichtlich schwer gefoult, dann machten sie ihn zum Schurken.“
„Es ist eine Schande, dass er 23- oder 25-mal an die Linie gehen muss“, meint Lakers-Guard Derek Fisher und fordert, dass es eine Grenze geben müsste, wie oft ein Spieler gefoult werden darf. „So was entspricht nicht dem Geist des Spieles“, findet Shaqs Agent Leonard Armato, beißt damit bei Leuten wie Don Nelson aber auf Granit. „Seine einzige Schwäche ist der Freiwurf“, sagt der Dallas-Coach, „also soll er wissen, dass er gegen uns eine Menge freiwerfen muss.“
Alles wäre ganz einfach, wenn die Schiedsrichter die „Flagrant Foul“-Regel häufiger in Anwendung bringen. Dann würde Shaq nicht nur Freiwürfe erhalten, sondern die Lakers hätten danach Ballbesitz, eine Aussicht, die sicher vorsichtigeres Zupacken beim Gegner bewirken würde. Während jedoch zahlreiche Regeln in dieser Saison schärfer ausgelegt werden, ist jene, die absichtliche Fouls betrifft, offenkundig nicht darunter. „So wie sie jetzt angewendet wird“, sagt Leonard Armato, „fördert sie physische Konfrontationen, Gewalttätigkeiten und die Möglichkeit schwerer Verletzungen.“
Die Refeeres haben derzeit allerdings weniger mit absichtlichen als mit den „normalen“ Fouls zu kämpfen. Sie stehen wegen solcher Spiele wie dem von Indiana gegen New Jersey (119:112) in der Kritik, bei dem es 99 Freiwürfe gab. Unter solchen Umständen wird auch Shaquille O'Neal nicht drumrumkommen, weiter seinen „Trampelpfad zur Freiwurflinie auszutreten“, wie es die Agentur AP formulierte. Einzige Abhilfe: besser treffen. Aber an diese Möglichkeit glaubt in Los Angeles längst keiner mehr.
Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen