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American FootballStark, schnell, diszipliniert

Sebastian Vollmer ist der erste Deutsche, der in der US-Profi-Liga NFL zum Stammspieler wurde. Nun tritt er mit den New England Patriots zum Europagastspiel im Wembleystadion an.

Sebastian Vollmer ist der erste deutsche Stammspieler in US-Profi-Liga NFL. Bild: dpa

Wenn man Sebastian Vollmer nach dem Spiel in der Kabine trifft, dann fällt zunächst einmal auf, dass nichts auffällt. Er hat sich einen perfekten amerikanischen Slang zugelegt, und auch in seinem Spint erinnert ihn nichts daran, dass er einst aus Deutschland auszog, um American Football zu lernen. Jetzt hat er es geschafft. Seit September spielt er für die New England Patriots, dem erfolgreichsten Team des Jahrzehnts.

Für zehn, elf Spielzüge wurde er in der ersten Partie eingesetzt, doch was von seinem Debüt als Profi hängen bleiben wird, ist etwas anderes: "Der Einlauf aufs Feld und die Düsenjets, die vor dem Kickoff über das Stadion flogen." Vollmer hat eine 80-Stunden-Woche. Da bleibt nicht viel Zeit, an die Vergangenheit zu denken. Er ist der vierte Deutsche in der National Football League (NFL) und der erste, der Stammspieler werden könnte.

Er ist auf dem besten Weg, weil sich vor zwei Wochen ein anderer Spieler auf seiner Position verletzt hat. Auch am kommendem Sonntag, wenn die Patriots ein Liga-Gastspiel im Londoner Wembleystadion gegen die Tampa Bay Buccaneers geben (18 Uhr deutscher Zeit), wird er wahrscheinlich in der Startformation stehen. Seine Familie wird dabei sein, und wohl auch viele deutsche Fans. Er selbst sagt, er habe keine Zeit, dort Urlaub zu machen oder sich darauf zu freuen. "Alles, was ich tue, ist, mich auf den Gegner vorzubereiten."

Zugegeben: Auffällig ist Sebastian Vollmer natürlich schon. Er hat Traummaße für einen Offensive Tackle, der den Quarterback beschützen soll. Der 25-Jährige ist mit 2,05 Metern der Größte im Team, er wiegt 145 Kilo. "Alles Muskeln, kein Gramm Fett", wie Leonard Roth, sein ehemaliger Berater aus College-Zeiten, sagt. Für sein Gewicht ist er unglaublich flink und kann, was selten ist, auf der linken und der rechten Tackle-Position spielen. Deshalb hatten ihn die Patriots schnell auf dem Schirm, als er zu Jahresbeginn vom College in Houston abging.

Als die Patriots vor dem Draft hörten, dass die Oakland Raiders ihn als dritten Spieler verpflichten wollten, kamen sie ihnen zuvor und verpflichteten Vollmer kurzerhand als Zweiten - eine große Ehre für einen Mann auf seiner Position. Die Tackles sind die grauen Eminenzen des Teams. Selbst in den statistikverliebten USA tauchen nach einem Spiel keine Zahlen darüber auf, für wie viele Spielzüge sie auf dem Platz standen.

Und doch war Patriots-Trainer Bill Belichick natürlich beruhigt, als Sebastian Vollmer am vergangenen Sonntag von Beginn an spielte, ohne einen Fehler zu machen. Im Spiel gegen die Tennessee Titans warf Tom Brady fünf Touchdown-Pässe in einem einzigen Viertel. Seitdem ist die 59 Vollmers Glückszahl. Mit 59:0 egalisierte das Team einen alten Mannschaftsrekord. Und der Left Tackle Matt Light hatte zuvor 59 Spiele in Folge ohne Verletzung auf dem Feld gestanden. Jetzt wird er durch Vollmer ersetzt. "Ich weiß, dass es sehr schwer ist, Matt Light zu ersetzen und als Left Tackle zu spielen, aber Sebastian hat heute eine tolle Leistung gezeigt", sagte Tom Brady.

Vollmer selbst mag nicht mehr so exotisch wirken, sein Werdegang ist es. Erst mit 14 Jahren begann der Junge aus Kaarst mit dem American Football, beim Bundesligisten Düsseldorf Panther. Vorher war er ein guter Schwimmer gewesen. "Mich hat an Football gereizt, wie viel Disziplin und Teamgeist man dafür mitbringen muss", sagt er. Damals wog er noch weit unter 100 Kilo. Als er für eine deutsche Junioren-Auswahl in den USA spielte, wurden die Scouts aufmerksam. "Sie haben seinen Körper gedraftet", sagt sein früherer Trainer bei den Panthern, Steffen Breuer. Damit ist schon erklärt, wie so ein Spät- und Seiteneinsteiger so weit kommen kann. Talent hat auf seiner Position keine Priorität, sondern Kraft, Schnelligkeit und Disziplin.

Sollte Vollmer die kommenden Jahre ohne schwere Verletzungen überstehen, bescheinigen ihm die meisten Experten eine große Karriere. Doch es ist fraglich, ob Vollmer in Deutschland einen Nowitzki-Effekt erzielen kann. Er ist nur einer von 53 Spielern im Team, und die NFL wird nicht im Free-TV übertragen. Und doch: Sebastian Vollmer wird ein Vorbild sein für viele andere Deutsche, die bisher immer geglaubt hatten, nicht gut genug zu sein für die NFL. Und wenn alles gut läuft, wird gerade das Spiel in London der Welt zeigen, dass Europäer eben nicht nur die englische Variante des Football beherrschen.

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5 Kommentare

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  • HW
    Hans Wurst

    man keule - WEIT unter 100 kilo!

  • J
    jegenau

    Mit 14 soll der gute Mann 100 Kilo gewogen haben? Na das glaubst doch selber nicht oder?

  • S
    StanLibuda

    Mahlzeit!

     

    Ich freue mich, daß es ein deutscher Sportler geschafft hat, in der härtesten Liga der Welt zu spielen. Leider mußte es diese Franchise sein. ;-)

     

    Interesse für American Football gibt es auf unserem Kontinent genug. Leider nicht genug für die Kommerzfetischisten aus den U.S.A.

     

    Wenn in den 70ern nicht ein paar Leute mit diesem Sport hierzulande angefangen hätten, dann hätte es

    z. B. keine Frankfurt Galaxy oder Rhine-Fire gegeben oder die anderen "Vereine" in der ehem.

    NFL Europe.

     

    Wenn das "Marketingkonzept" der NFL weiterhin darin besteht, den deutschen Fans in die

    "Weichteile zu treten", dann darf man sich nicht

    wundern, wenn die Popularität sinken sollte.

     

    Einzig die Oakland Raiders haben eine deutsche

    Webseite. Ich wage mich aber nicht zu fragen,

    ob es diese aus Gründen der Fankultur gibt oder

    ob die Raiders hier mehr Devotionalien außerhalb der U.S.A verkaufen als anderswo.

     

    Wollte gar nicht soviel schreiben nur, daß ich mich für Sebastian Vollmer wirklich freue.

     

    In diesem Sinne

    Glückauf

  • O
    Oli

    Wäre schön, wenn durch Vollmer der American Football in Deutschland ein wenige populärer würde.

     

    Tom Nütten war in den Endneunzigern bei St. Louis btw Startspieler - er ist zumindest halb-deutscher (Mütterlicherseits).

     

    Das Selbe gilt für Domenik Hixon.

     

    Beide haben btw. auch die Superbowl gewonnen.

  • M
    MoP

    liebe redaktion

    wie kommt ihr darauf dass er unter 100 kilogramm schwer war als er mit football anfing??

    er wog 100kg!