Amateurfussball: Der Pfosten erzittert
Das Kreisligateam Standard Alu hat durch seine Homepage und seine Promi-Fans Berühmtheit erlangt. Am Sonntag gehts im Oddsetpokal gegen Altona 93.
"Mein Wunsch ist, nicht höher als 1:12 zu verlieren. Das wäre sonst ein neuer Negativrekord", sagt Roland Kontny, Spieler des Hamburger Kreisligisten Standard Alu. Ein fast schon frommer Wunsch im Hinblick auf die erste Runde im Oddsetpokal, dessen späterer Sieger die Startberichtigung für den DFB-Pokal erlangt. Zum Auftakt haben die Spieler von Standard Alu mit Altona 93, kurz AFC, einen Favoriten auf den Titel zugelost bekommen. "Wir freuen uns riesig drauf", sagt Kontny. Gegen den Oberligisten AFC wird eine Rekordkulisse erwartet.
Zu den Spielen von Standard Alu in der Kreisliga kommen selten mehr als 20 Leute. Und das, obwohl der Club deutschlandweit Anhänger hat. Der Spiegel nannte Standard Alu einst den "bekanntesten unbekannten Verein der Republik".
Dieser Umstand ist weniger durch spielerische Raffinesse der Kicker zu erklären, als vielmehr durch ihre originelle Homepage, auf der sie neben ausführlichen Spielberichten und einem Fanshop auch einen eigenen Videochannel haben.
"Alu TV" heißt ihr Haussender, der in unregelmäßigen Abständen den "Fan der Woche" kürt. Meistens steht Alu-Verteidiger Christian Suhr hinter der Kamera und bittet jeden Prominenten, den er bei seiner Arbeit als Kameramann auftreiben kann, um ein kurzes Bekenntnis. Zuletzt schwörten Comedian Michael Kessler und HSV-Profi Mladen Petric ihre Vereinstreue zu Standard Alu. Sergej Barbarez gratulierte zum Klassenerhalt.
Damit reihten sie sich in eine lange Liste von namhaften Anhängern, um die Alu sicherlich der eine oder andere Bundesligist beneidet. So outeten sich beispielsweise Gregor Gysi, Ulrich Wickert, Wladimir Klitschko oder Günther Netzer als Verehrer des ehemaligen Freizeitvereins. "Irgendwann hat sich das verselbstständigt", sagt Suhr.
Mittlerweile umfasst das Archiv über 40 Videos mit Grüßen aus der ganzen Welt. Irgendwann bekam Suhr eine Email von einem Freund, der am Flughafen in Helsinki den ehemaligen Fußball-Bundestrainer Berti Vogts getroffen hatte. "Ich wünsche euch, Standard Alu, viel, viel Glück", grüßte Vogts im Anhang der Email.
Auf einem Grandplatz im Stadtteil Eppendorf hat alles angefangen. Kontny, Suhr und ein paar Freunde trafen sich dort einmal in der Woche zum Kicken. Es gab nur ein Problem: Niemand wollte ins Tor. Also wurde eine Regeländerung beschlossen in der ein Spiel auch ohne Torhüter möglich war. Als Ziel zählte nicht mehr das Tor, sondern ein Schuss gegen Pfosten oder Latte.
1998 meldete sich das Team für eine Freizeitliga an und suchte einen Namen. An einem Europapokalabend ging Kontny mit Vereinskollegen einige Clubs durch. "Wir wollten unbedingt Alu im Namen haben", sagt er. Mit Standard Lüttich wurde dann ein Namenspate gefunden.
Erfolgreich ging es bis in die höchste Freizeitspielklasse. Als Standard Alu nicht mehr aufsteigen konnte, wechselte man in den Ligabetrieb des Hamburger Fußballverbandes. Den Klassen-erhalt schaffte Standard Alu in der vergangenen Saison erst am letzten Spieltag.
Beim Oddsetpokal wurde erst einmal die zweite Runde erreicht. Gegen Altona 93 wäre ein einziges Tor schon ein kleiner Erfolg. Sollte nur ein Spieler das Aluminium treffen, sei aber auch niemand böse, sagt Kontny. Ein Eintrag in den vereinseigenen Spielbericht wäre zumindest sicher.
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