: Amateure, die Herthas Ruf verteidigen
Team der Woche: Die 3. Fußballmannschaft von Hertha spielt in der Bezirksliga – und hat echten Kultcharakter
Für einen Bezirksligisten betreibt Andreas Treppmacher mit seiner Mannschaft einen gehörigen Aufwand. „Wir waren vor der Saison vier Tage im Trainingslager in Neuruppin. Das ist schon etwas Besonderes“, erzählt der Trainer der 3. Mannschaft von Hertha BSC. Der 38-Jährige weiß nur zu gut, dass gerade in den Niederungen des Hauptstadt-Fußballs der Ruf des Bundesligisten verteidigt werden muss. „Wir sind die einzige Hertha-Mannschaft, die auf Berliner Ebene geschlagen werden kann. Alle anderen Herrenteams spielen überregional. Deshalb sind die Gegner gegen uns immer top motiviert“, erzählt Andreas Treppmacher.
Die „zweite Amateurmannschaft“, wie Vereinsvorsitzender Manfred Wendt die nominell dritte Garnitur genannt wissen will, hat sich in dieser Saison den Aufstieg in die Landesliga zum Ziel gesetzt – und das, obwohl die Spieler „reine Amateure sind und keinen Cent bekommen“, wie Wendt beteuert.
Herthas Welt – in der Bezirksliga scheint sie für einen harten Kern blau-weißer Fans noch in Ordnung. „Unsere zweiten Amateure sind eine echte Kultmannschaft, die regelmäßig von zwei Dutzend Anhängern begleitet wird“, erzählt Wendt. Die Stimmung im Stadion an der Ungarnstraße im Wedding, Herthas Geburtsstätte, soll bei Punktspielen mitunter prickelnder sein als bei Auftritten der vier Klassen höher in der Regionalliga spielenden Bundesliga-Reserve.
„Ich bin zu Hertha gewechselt, weil ich mein Hobby möglichst erfolgreich ausüben will“, sagt der einzige prominente Name in Herthas Bezirksliga-Kader. Andreas Sziedat arbeitet nicht nur Schichtdienst im Hotelfach, sondern ist auch der Sohn von Hertha-Ikone Michael Sziedat, der von 1971 bis 1980 insgesamt 280 Bundesliga-Partien für Berlin bestritt – mehr als jeder andere Profi in der Geschichte des Vereins.
„Die meisten meiner Mitspieler können mit dem Namen Sziedat wenig anfangen. Das war weit vor ihrer Zeit“, berichtet der Junior. Auch Andreas kennt den Abwehrrecken Michael nur von Fernsehkonserven. Wenn der Junior über den Senior spricht, klingt es mitunter so, als wolle er sich nachträglich von Papas rustikaler Spielweise distanzieren. „Mein Vater hat hinten rechts abgeräumt“, sagt Andreas und beteuert: „Ich bin ein ganz anderer Typ und komme mehr von der Technik. Verteidiger wollte ich nicht werden: Mein Platz ist im Mittelfeld.“
Der Filius des Denkmals wechselte vom Lichterfelder FC in den weitläufigen Hertha-Sportpark am Olympiastadion. Neben dem „August-Bier-Platz“ benutzen Treppmachers lupenreine Amateure („darunter auch Polizisten und Studenten“) ein Häuschen als Bezirksliga-Basislager. „Wir haben eine gute Anerkennung durch den Verein, und wir können die gesamte Infrastruktur der Profis benutzen. Solche Bedingungen hat kaum eine Amateurmannschaft“, sagt der Trainer zufrieden.
Mit dem Komfort wächst der Erfolgsdruck bei den Kult-Herthanern. „Bei uns fixiert sich alles auf die Ausbildung und das Heranführen von Profis“, sagt Treppmacher. Vergangene Saison delegierte Regionalliga-Trainer Karsten Heine 13 seiner Quasiprofis, die bei ihm nicht zum Zuge kamen, in die „Dritte“. Treppmacher begrüßt diese Verstärkung von oben: „Dadurch wird die Anerkennung im Verein noch größer.“
Der Start in das „Unternehmen Landesliga“ ist fast optimal geglückt. Nach drei Auftritten und sechs Zählern auf dem Habenkonto belegen Treppmachers Jungs den 4. Platz.
Jürgen Schulz