■ Am Sonntag wird in Berlin und Brandenburg über die Länderfusion abgestimmt. Sollte die Volksabstimmung negativ ausgehen, dürften Bremen und das Saarland aufatmen. Denn die Neugliederungsdebatte wäre damit für lange Zeit vom Tisch.: Konfusi
Am Sonntag wird in Berlin und Brandenburg über die Länderfusion abgestimmt. Sollte die Volksabstimmung negativ ausgehen, dürften Bremen und das Saarland aufatmen. Denn die Neugliederungsdebatte wäre damit für lange Zeit vom Tisch.
Konfusion zwischen Rhein und Oder
Wenn Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen die Menschen von der Notwendigkeit einer Fusion mit Brandenburg zu überzeugen versucht, verweist er gern auf die norddeutsche Tiefebene. Hamburg und Schleswig- Holstein, so der CDU-Politiker, hätten doch glatt 17 Jahre für einen Staatsvertrag gebraucht, der den gegenseitigen Schulbesuch und die finanziellen Zuwendungen regele. An abschreckenden Beispielen mangelt es den Fusionsbefürwortern keineswegs. In dem ohnehin spröden Thema ist ein Argument allerdings von derart abstrakter Güte, daß es in der Werbekampagne des Senats und der Potsdamer Landsesregierung tunlichst kleingehalten wurde: Sollte die Fusion scheitern, könnte auch die Neugliederungsdebatte in der Republik für Jahrzehnte auf Eis gelegt sein.
In dem Fall dürften sich zumindest die Regierungen der beiden Länder Saarland und Bremen „klammheimlich freuen“, glaubt der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus-Rüdiger Landowsky, der lange in der Fusionsfrage laviert hat, nun aber am Sonntag für die Länderehe erst im Jahr 2002 stimmen will. Denn in beiden Ländern haben die Sozialdemokraten bislang alle Versuche, ihre verschuldeten Länder mit größeren Partnern zu vereinigen, rigoros von sich gewiesen. Nur Hamburgs SPD-Bürgermeister Henning Voscherau plädierte erst kürzlich wieder für einen Nordstaat – der sich allerdings solche Vorstöße leisten kann, ohne Gefahr zu laufen, mit der weißen Fahne zu wedeln. Schließlich gehört sein Stadtstaat – noch – zu den finanziell Bessergestellten.
Modelle für eine Änderung der buntgescheckten Landkarte zwischen Rhein und Oder gab und gibt es viele. Schon zwei Jahre nach Gründung der Bundesrepublik wurde im Juni 1951 von der Bundesregierung auf Beschluß des Bundestages der sogenannte „Luther-Ausschuß“ ins Leben gerufen. Doch dessen Ergebnisse versandeten ebenso wie die im Februar 1973 der Bundesregierung überreichten Vorschläge der „Ernst-Kommission“. Unter Federführung des damaligen Staatssekretärs Werner Ernst hatten die Experten unter anderem für einen Zusammenschluß von Rheinland- Pfalz und Hessen plädiert. Das Thema, so stellte der Münchener Politikprofessor und Föderalismusexperte Heinz Laufer fest, habe die Öffentlichkeit in den siebziger Jahren „von Zeit zu Zeit“ nur noch als „Loch Ness“-Debatte amüsiert.
Bundestag und Bundesrat entschlossen sich gar 1976, die bis dahin geltende Verpflichtung zu einer Neugliederung im Grundgesetz deutlich abzuschwächen. Seitdem heißt es in Artikel 29, das Bundesgebiet „kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können“.
Genau darin aber liegt das Problem. Ohne die Hilfe der starken Geberländer (Bayern, Baden- Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein und Hamburg) über den Länderfinanzausgleich wäre der verfassungsrechtlich verankerte Föderalismus schon längst am Ende. Allein Berlin und Brandenburg erhielten im vergangenen Jahr zusammen rund fünf Milliarden Mark, um damit die Löcher ihrer Haushalte zu stopfen und so Straßen, Schulen und Landesbedienstete zu bezahlen. Ingesamt hängen 10 von 16 Ländern und Stadtstaaten am Tropf ihrer stärkeren Partner.
Unter den Schwachen sind ausnahmslos die fünf Länder auf dem Territorium der ehemaligen DDR. Ihre Wiedereinrichtung nach historischem Vorbild – die Länder waren 1952 von der SED aufgelöst worden – war nach der Wende keineswegs unumstritten. Bis zu den ersten Landtagswahlen im Oktober 1990 wurden allerlei Vorschläge, teils absurdester Art, gemacht: Von acht Ländern bis hin zum Zweiermodell mit dem Nordstaat Mecklenburg-Brandenburg und dem Südstaat Thüringen- Sachsen war die Rede.
Seitdem sind sechs Jahre vergangen, und die im Artikel 29 des Grundgesetzes genannten „landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge“ könnten im Falle von Berlin und Brandenburg zum größten Hemmschuh werden. Weitaus mehr als für rationale Für- Argumente – etwa, daß ein Land eine einheitliche Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung ermöglicht – ist die Bevölkerung empfänglich für emotionale Appelle. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) erklärte, er habe „die Wiederkehr des Brandenburg-Bewußtseins“ unterschätzt. Severin Weiland, Berlin
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