Am 6. Mai wählt Großbritannien: Grünes Biotop im Wahlkampf

Bei der Wahl zum Unterhaus dürfte der Wahkreis Brighton Pavilion für Furore sorgen. Dort könnte erstmals die Grünen-Chefin Caroline Lucas gewinnen.

Brighton hat sich zu einer Hochburg der linken und alternativen Szene gemausert. Bild: dpa

Brighton ist anders. Das südenglische Seebad, in dem sich Tony Blair auf dem Labour-Parteitag 1997 nach seinem ersten Wahlsieg feiern ließ, hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Hochburg der linken und alternativen Szene entwickelt. Viele Studenten der Achtziger- und Neunzigerjahre von der nahegelegenen Sussex-Universität sind nach ihrem Abschluss nicht weiter als bis nach Brighton gekommen, aus London zogen Künstler und Althippies hinzu, und in der Innenstadt floriert der anarchistische Buchladen.

Ein gutes Pflaster also für die möglicherweise erste Abgeordnete der Grünen im britischen Unterhaus. Die grüne Parteichefin Caroline Lucas kandidiert im Wahlkreis Brighton Pavilion. Dort haben die Grünen bereits neun Stadträte, die Tories dagegen nur sechs und Labour fünf. Die beiden etablierten Parteien haben ebenfalls Frauen aufgestellt: Die Labour-Kandidatin Nancy Platts betont ständig, dass sie gegen den Irakkrieg war und Atomwaffen verabscheue, die Tory-Kandidatin Charlotte Vere ist eine Internetunternehmerin, die sich mit Lucas angelegt hat, weil sie die Grünen mit der profaschistischen British National Party (BNP) verglich.

Laut Meinungsumfragen liegt Lucas 8 Prozentpunkte vor ihren Rivalinnen. Sie sagt: "Noch ein Tory-Abgeordneter oder noch ein Labour-Abgeordneter - was für einen Unterschied macht das? Ein erstes Unterhausmandat für die Grünen hätte bedeutendere Folgen." Sie appelliert an den liberalen Mittelstand, der sich um die Innenstadt herum angesiedelt hat, ihr eine Chance zu geben. "Die Wirtschaftspolitik der Grünen hat immer auf Fairness und Nachhaltigkeit basiert", sagt sie. "Die Wirtschaftspolitik von Tories und Labour hat dagegen den öffentlichen Dienst in die Knie gezwungen, das Gesundheitssystem gefährdet, die Schere zwischen Armen und Reichen verbreitert, und es nicht geschafft, unser kaputtes Finanzsystem zu reformieren."

Lucas wurde im Dezember 1960 in Worcestershire geboren. Sie legte 1983 ihr Examen in englischer Literatur an der Universität von Exeter ab. Danach ging sie mit einem Stipendium für zwei Jahre an die Universität von Kansas. 1987 machte sie ihr Diplom im Fach Journalismus, 1989 promovierte sie mit einer Arbeit über "Schreiben für Frauen: Eine Studie über Frauen als Leserinnen von elisabethanischen Liebesromanen". Lucas ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Ihre politische Karriere begann sie als Aktivistin bei der Kampagne für atomare Abrüstung (CND). Seit 1986 ist sie Mitglied bei den Grünen - und daneben auch in vielen anderen Organisationen. So engagiert sie sich für den Tierschutz und gegen Atomkraft, Krieg und Klimawandel. 1993 konnte sie in Oxford einen ersten Wahlerfolg verbuchen, als sie als zweite Grüne in einen Stadtrat einzog. 1999 wurde sie im Wahlkreis Südostengland ins Europaparlament gewählt, bei den Wahlen 2004 und 2009 verteidigte sie den Sitz. 2008 wurde sie mit 92,4 Prozent der Stimmen zur ersten Chefin der britischen Grünen gewählt. Der Observer verlieh ihr 2007 und 2009 den Ethikpreis als "Politikerin des Jahres".

Bei den Wahlen im Jahr 2005 gewann der Grünen-Kandidat Keith Taylor 22 Prozent der Stimmen in Brighton Pavilion. Er gehört zur "Old Green Party", aber es fehlt ihm an Ausstrahlung. Die hat Lucas zweifellos, sie verkörpert die "New Green Party", und die Parteimitglieder zogen sie deshalb Taylor vor. Das erinnert ein bisschen an Labours Wandlung vor den Wahlen 1997, als Blair Premierminister wurde. Sollte Lucas das Mandat in Brighton gewinnen, verdankt sie das auch ihm: Ohne Blairs Irakkrieg wäre Brighton noch nicht reif für eine grüne Abgeordnete.

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