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AlternativkulturJugend ohne Ort

Seitdem das selbst verwaltete Jugendzentrum „Hotel am Kalkberg“ abgerissen wurde, gibt es in Bad Segeberg keinen Platz mehr für alternative Jugendkultur.

Den Politikern ein Dorn im Auge: So sah das HAK aus, bevor es abgerissen wurde. Bild: Privat

Sie wollten ihr selbst verwaltetes Jugendzentrum in Bad Segeberg retten. Im November letzten Jahres verbarrikadierten sie sich im „Hotel am Kalkberg“ (HAK), dem einzigen selbst verwalteten Jugendzentrum der Stadt. Jetzt haben die sechs Aktivisten Post von der Staatsanwaltschaft aus Kiel bekommen und müssen mehrere hundert Euro Strafe für ihren Rettungsversuch zahlen.

„Amtsträgern mit Gewalt Widerstand geleistet zu haben“, heißt es in ihrem Strafbefehl. Einsatzkräfte der Polizei drangen damals durch das Dach des Gebäudes ein, um die Aktivisten einzeln herauszutragen. Dann rückten die Bagger an, um das HAK-Gebäude abzureißen.

Mit dem HAK ist den Jugendlichen in Bad Segeberg der letzte Ort genommen worden, an dem sie selbst das Sagen hatten. Auf dem Gelände des HAKs soll nun ein Parkplatz für Besucher einer Fledermausausstellung entstehen. Vor etwa drei Jahren musste schon eine Skaterbahn in Bad Segeberg einem Parkplatz weichen.

„Die Stadt hat seit Jahren systematisch versucht, uns zu vertreiben“, sagt Goothje Mommsen, die Vorsitzende des Trägerverein des Jugendzentrums HAK. Der Verein versucht momentan vor Gericht, eine Forderung der Stadt über knapp 10.000 Euro ausstehender Betriebskosten abzuwenden. Schaffen sie das nicht, muss wohl auch der Verein aufgelöst werden.

Ersatz für alternative Jugendkultur in Bad Segeberg wurde bisher nicht geschaffen. Dabei sind Angebote für Jugendliche schon länger Mangelware. Einer Studie eines unabhängigen Planungsbüros zu Folge wurde schon 2009 das Freizeit und Kulturangebot für jüngere Zielgruppen in Bad Segeberg als nicht ausreichend bewertet.

Kirsten Tödt (SPD) hat 2011 als einzige Stadtvertreterin nicht für die Räumung und den Abriss des HAK gestimmt. „Es ging nicht darum, einen alternativen Standort für das HAK zu finden. Es ging darum, das HAK platt zu machen“, sagt Tödt. Das HAK habe vielen einfach nicht gepasst, das Äußere der Jugendlichen sei einigen Stadtvertretern sauer aufgestoßen, es fand kaum Kommunikation statt.

Auch der 2008 eingeführte HAK-Beirat, in dem Jugendliche und Stadtvertreter saßen, führte nicht zu einer Einigung. „Auch wenn sich Vertreter des HAKs nicht immer konstruktiv beteiligt haben: Es war kein Gespräch, sondern ein Verhör“, sagt Tödt.

Das HAK sollte abgerissen werden, weil „es heruntergewirtschaftet ist“, sagte Bad Segebergs Bürgermeister Dieter Schönfeld (SPD) im Januar 2011 der taz. Er warf den Jugendlichen „Vandalismus und Disziplinlosigkeit“ vor.

Die Argumente, die zum Abriss der Skate-Anlage führten, klingen ganz ähnlich: Anwohner fühlen sich durch Lärm belästigt, die Anlage wurde mit Fahrrädern befahren, die Nutzungszeiten wurden nicht eingehalten. Bis heute ist auch dafür kein Ersatz geschaffen worden, drei Jahre nach dem Abriss.

Spricht man mit der Jugendstadtpflegerin Elke Rindt über die Angebote für Jugendliche in Bad Segeberg, verweist sie auf das Jugendzentrum in der „Mühle“. Es schaffe Angebote für Zwölf- bis 18-Jährige, eine offene Kinder und Jugendarbeit mit Hilfe ausgebildeter Pädagogen. „Natürlich ohne Alkohol und Nikotin“, sagt Rindt.

Auf das Thema Selbstverwaltung ist Elke Rindt nicht gut zu sprechen. „Es wird kein selbst verwaltetes Jugendzentrum in der Mühle geben“, stellt Rindt klar. „Autorität heißt ja nicht, dass eine Person das Sagen hat. Es gibt einfach Regeln, die jeder befolgen muss, wenn er in das Haus will.“

In der Mühle wird also kein Platz für HAK-Mitglieder sein, das Interesse ist allerdings auch nicht besonders groß. „Wir sind zu alt für dieses Jugendzentrum und das Konzept passt nicht zu unseren Vorstellungen“, sagt Goothje Mommsen.

Trotz fehlender Gebäude für das HAK findet zweimal im Monat ein Plenum statt. „Ohne eigenes Haus und finanzielle Rücklagen ist es natürlich nicht das Gleiche“, sagt HAK-Mitglied Tim Sünram. „Trotzdem, wir veranstalten mit befreundeten Jugendzentren Solipartys und werden natürlich weiter machen, wenn sich Möglichkeiten ergeben“, so Sünram.

Sind solche neuen Möglichkeiten denkbar? Bürgermeister Dieter Schönfeld (SPD) war zu einer Stellungnahme zum Thema Jugendkultur in Bad Segeberg nicht zu erreichen.

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11 Kommentare

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  • CS
    Christian Schenk

    Nicht zum erstenmal wird durch eine kranke Indianerpolitik in Bad Segeberg eine ganze Generation junger Leute aus ihrer Heimatstadt vertrieben. Es stimmt mich traurig wenn ich meine Geburtsstadt besuche und an vertrauten Orten nur fremde Menschen treffe. Wie schrecklich sind die Folgen der nationalsozialistischen Erziehung, daß bis heute jungen Menschen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verwehrt wird.

  • M
    MaMaBo

    Was in Bad Segeberg derzeit abgeht, ist traurig und verlogen. Entmutigen sollte das aber nicht. Es hat hier schon schlimmere Zeiten gegeben. Und gut Ding will Weile haben. Am 26.05. ist Kommunalwahl in Schleswig-Holstein. Eine gute Gelegenheit, den Verantwortlichen die "Rote Karte" zu zeigen und 1 Stimme für die Demokratie abzugeben. Ungültige Stimmzettel können aller Welt zeigen, hier in Bad Segeberg stimmt was nicht. Selbst wenn dann nur 1.300 dabei wären (wie bei den Unterschrften fürs HaK), wäre das ein unvergesslicher Denkzettel für die Stadt-Parteien. Gleichzeitig ist die Kommunalwahl die Chance, BGM Schönfeld die rechtspopulistischen Wurzeln zu kappen. Denn die neue Stadtvertretung wird entscheiden, ob sie dem SPD-Mann im nächsten Jahr einen Gegenkandidaten zumutet. Ist das nicht einen Weg zum Wahllokal wert?

  • E
    exSegeberger

    Ich würde den HAKis zur Dislokation raten. In dem Kaff ist eh kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Soll die Stadt eben einen sanften Tod einer Ü50-Kommune zwischen Kurgästen und konsumierenden Karl-May-Besuchern sterben.

    Alternative Ideale und Lebensentwürfe lassen sich andernorts leider viel besser umsetzen.

    Die Gruppe sollte also öffentlichkeitswirksam ihre Abwanderung verkünden. Vielleicht wenn sich mal wieder Handwerkskammer oder IHK händeringend in Anwesenheit von Lokalpolitik und Honoratioren um Nachwuchs bemühen. Vielleicht begreifen sie dann doch noch, dass sie mit ihrem Parkplatz auch Leuten ihre Perspektiven verbaut haben.

  • ES
    einem Sozialdemokraten

    Da müssen sich die linken Poser, Kiffer,

    Mittelschichtpunks und Antifanten

    wohl ein anderes Plätzchen suchen,

    um die RevoluzzerIn zu markieren.

     

    Aber irgendwo gibt es bestimmt noch ein

    romantisches Occupy-Camp...

  • L
    Lisa

    Hey hannes,

    ich finde es richtig schön, dass noch immer über uns berichtet wird. Danke für deine, lust, zeit und energie diesen bericht zu schreiben...stay hak. Im herzen bleibt es meine kleine familie :-) Lisa garske

  • H
    Hagemeister

    Sie konnten die nächtliche Musik am Wochenende nicht ertragen, genau so wie die Grafitti, das Aussehen der Jugendlichen usw.

    Segeberg ist halt ein Provinzkaff.

    Leider hat es das HAK aber auch versäumt sich bei den Segebergern auf andere Weise beliebt zu machen.

    Schönfeldt konnte das nur durchziehen, weil die Stimmung sich in der breiteren Bevölkerung (also nicht den Ultraspießern) zu ungunsten des HAK entwickelt hat. Wenn man politisch sein will, dann muss man halt auch Politik machen, d.h. Leute überzeugen.

    Son kleines Klientelübergreifendes Sommerfest mit Kaffee und Kuchen für Omi und Opi kann da schon Wunder wirken in der Eigenpräsentation.

  • M
    mareike

    Unglaublich, da organisieren sich Jugendliche endlich mal (dieser Wunsch steht in wirklich fast jedem Parteiprogramm, wenn auch manchmal anders formuliert) und stellen was eigenes, kreatives und konstruktisches auf die Beine und die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Dieter Schönfeld wirft denen einfach nur Steine in den Weg.... Einfach traurig und entmutigend und so verlogen....

  • I
    Insider

    Bei dem Standort in einem gewachsenen Wohngebiet war Stess vorprogrammiert. Die Fehler wurden gleich zu Anfang gemacht. Auch Autonomie muss die Umgebung und die Nachbarn achten. Finanziell war dieses Projekt immer defizitär.

  • H
    hundotto

    Haha,Bad Segeberg:Bei bekannten Kindesgefährdungen(Kleinkind wurde jahrelang im Keller eingesperrt,in den eigenen Fäkalien,andere Kinder der Familie misshandelt und jahrelang gemoppt und brutalst gedemütig)handelt der Bürgermeister,der Landrat,das Jugendamt trotz mehrfacher Anzeigen und entsprechenden Sichtungen des Kinderschutzbundes Über Jahre GAR NICHT.Aber beim HAK geht das alles Schlag auf Schlag,ohne Rücksicht auf irgendjemanden.Die Segeberger Amtsstuben,wo Vetternwirtschaft und Korruption tägliches Werk sind,gehören leergekärchert.Das alles besitzt den Character der 50er Jahre.Hoffentlich finden die Jungs und Mädels bald was,wenn auch durch besetzung.Was einem verweigert wird,obwohl es nützlich ist und einem zusteht,sollte man es sich nehmen.Kiel Gaarden ist steht solidarisch zu euch.

  • JM
    Jannik Malte Meissner

    Was die Stadt Bad Segeberg da macht, ist kaum noch mit Worten zu beschreiben.

    Wahrscheinlich haben sie Angst, dass die HAK Mitglieder sich erst selbst verwalten und dann selbst denken. In diesem Land passiert schon viel zu viel derartiges.

     

    Eigentlich sollten die Jugendlichen von jetzt an jeden Tag vor dem Rathaus demonstrieren. Oder sich damals Festketten alá Anti AKW Demo.

     

    An sich sollte man die Häuser der Stadträte abreisen für einen Parkplatz… aber wir wollen ja nicht auf deren Niveau absinken.

     

    Doch so etwas klingt nur typisch für Deutschland. Hauptsache wir können parken. Was mit der Jugend, unserer Zukunft passiert? Interessiert kaum jemanden.

  • H
    hakerin

    unfassbar, dass ein selbstverwaltetes jugendzentrum abgerissen wurden, um einen verdamten parkplatz zu bauen. einen parkplatz!

    es ist doch klar, dass die jugendlichen aus dem hak sich in staatlichen jugendhäusern nicht wohlfühlen, wo sie lediglich fertige, von oben durchpädagogisierte angebote konsumieren können, anstatt selbstorganisiert die dinge zu tun, auf die man wirklich lust hat. es ging beim hak ja gerade darum, einen ort zu schaffen an dem menschen alternativen erleben können zum staatlich vorgegebenn einheitsbrei.

    und mich nervt es schon seit jahren, dass die stadt, der bezirk immer definieren, was zur jugendkultur gehört und was nicht. töpfern geht, aber punkband nicht? verdammte engstirner.

    mir fehlt das hak!