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Alster-Manhatten in St. Georg

■ Bürgerinitiative wehrt sich gegen die Verdrängung sozialschwacher Mieter durch Büroneubauten

Bauboom in St. Georg: An allen Ecken und Enden schießen Büroklötze aus dem Boden. Insgesamt sollen in dem Viertel zwischen Norderstraße und Steindamm 180.000 Quadratmeter Büro- und Gewerbefläche entstehen. Von „Nutzungsmischung“, der Verbindung zwischen Arbeiten und Wohnen, ist dabei wenig zu spüren: Neue Wohnhäuser sind nicht geplant. Die Bürgerinitiative Lindenstraße befürchtet deshalb „die Zerstörung der Strukturen im Stadtteil“ und macht mobil: „St. Georg muß als Wohnstandort erhalten bleiben“.

Bereits heute gibt es in St. Georg 40.000 Arbeitsplätze, aber nur noch rund 15.000 Menschen leben hier. Mehr als 20 neue Bürobauten sollen dieses Verhältnis weiter verändern – Alster-Manhattan droht. Zu den größten, bereits begonnenen, Bauprojekten gehören die neue 40.000 Quadratmeter große Verwaltungszentrale der „Volksfürsorge-Versicherung“ in der Norderstraße und die Erweiterung des nur wenige Meter entfernt liegenden Bürogebäudes der „Vereinte-Versicherung“. Weiterhin geplant: Ein 15geschossiger Büroklotz des Elektroherstellers „Siemens“ an der Lindenstraße und das ebenfalls 15stöckige „Skandinavian Commerce Center“ an der Adenauerallee, Ecke Lindenstraße.

Um einen möglichen Widerstand der BezirkspolitikerInnen gegen die massive Bürobebauung im Keim zu ersticken, fädelten Oberbaudirektor Egbert Kossak und Bausenator Eugen Wagner einen eleganten Deal ein. Sie wollen dem direkt an das „Skandinavian Center“ angrenzende Gebiet um die Böckmannstraße Instandsetzungsmillionen spendieren, indem sie es zum Sanierungsgebiet erklären. Die vorbereitenden Untersuchungen hierfür wurden bereits abgeschlossen. Brisant: Das Skandinavien-Center wurde aus dem Sanierungsgebiet ausgeklammert, der Sanierungsträger durfte deshalb nicht untersuchen, wie sich der geplante Neubau auf die Struktur des Quartiers auswirkt.

Die AnwohnerInneninitiative befürchtet vor allem eine Verdrängung der angestammten StadtteilbewohnerInnen durch die Erhöhung des Mietniveaus und eine Zunahme der Verkehrsbelastung. Sie fordert deshalb eine „Veränderungssperre“ für das geplante Sanierungsgebiet. Neubauvorhaben könnten dann nur aus einer Gesamtplanung herausgelöst werden, wenn es ein Erneuerungskonzept für das gesammte Gebiet gibt. Doch davon ist bislang noch nichts zu sehen. Verena Liedtke

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