: Als Opposition geduldet
„Was gedenkt die Regierung mit den zunehmend militanten schwarzen Gewerkschaften zu tun?“ so eine Frage aus dem Publikum. Der südafrikanische Außenminister Pik Botha hatte bei einer Wahlveranstaltung in Johannesburg gerade eine geharnischte Recht–und–Ordnung–Rede gehalten. Da überraschte seine Antwort um so mehr. „Die Forderungen der Gewerkschaften sind oft vollkommen übertrieben“, sagte Botha. „Doch das System funktioniert. Die Gewerkschaften halten sich an die Strukturen, die wir ihnen geschaffen haben.“ Tatsächlich nutzen die schwarzen Gewerkschaften diese Strukturen aus, um für ihre Mitglieder Verbesserungen in den Arbeitsbedingungen zu erzielen. Doch je stärker die Gewerkschaften werden, desto mehr verstehen sie sich auch als politische Kraft, die die ihr vom Apartheidsystemgesetzten Schranken zu überwinden versucht. Das ist um so wichtiger, als sie die einzigen oppositionellen Organisationen sind, die vom seit neun Monaten dauernden Aus nahmezustand weitgehend verschont geblieben sind. Die Gründung schwarzer Gewerkschaften wurde erst 1979 möglich. Nach den durch den Soweto–Aufstand 1976 im ganzen Land ausgelösten blutigen Unruhen hatte sowohl Pretoria als auch die Geschäftswelt ein Interesse daran, die sich in den Betrieben abzeichnenden Spannungen in geregelte Bahnen zu leiten. Seitdem sind die Gewerkschaften explosiv gewachsen. Der größte Dachverband, der 1985 gegründete Kongreß südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU), hat heute mehr als 700.000 Mitglieder. In seiner politischen Ausrichtung steht COSATU dem mehr als 700 Gruppen umfassenden Oppositionsbündnis „Vereinigte Demokratische Front“ (UDF) nahe. Diese politische Einordnung ist die wichtigste Differenz zwischen COSATU und dem kleineren Konkurrenzverband CUSA/ AZACTU, der die Politik des „Black Consciousness“ vertritt, also keine Weißen in Führungspositionen erlaubt. Nach dem Entstehen zahlreicher neuer Gewerkschaften in den frühen 80er Jahren will vor allem COSATU seine Organisationsstrukturen konsolidieren. Für die Verschmelzung verschiedener Gewerkschaften derselben Branche und die Gründung großer Industriegewerkschaften hatte der Gründungskongreß von COSATU im Dezember 1985 seinen 33 Mitgliedsorganisationen vier Monate Zeit gegeben. Nach 16 Monaten sind erst vier Industriegewerkschaften entstanden. Gewerkschaften, die sich noch immer diesem Prozeß widersetzen, sollen in Zukunft bestraft werden. Für COSATU ist diese Bündelung der Mitglieder und der Macht des Verbandes besonders wichtig, sowohl im Kampf gegen die Arbeitgeber als auch in der oft auch blutigen Auseinandersetzung mit der rechten „Vereinigten Arbeitergewerkschaft Südafrikas“ (UWUSA) des Zulu–Führers Mangosuthu Buthelezi in der Provinz Natal. Eine Konsolidierung der Organisationsstrukturen ist auch Voraussetzung für ein effektiveres politisches Engagement. Zu solchen Aktivitäten außerhalb des gesetzlich eng umschriebenen Gewerkschaftsbereiches werden die Gewerkschaften mehr und mehr gezwungen, nachdem sie der Bevölkerung eine der wenigen Möglichkeiten bieten, sich politisch zu artikulieren. Die Gewerkschaften sind nicht wie andere Oppositionsgruppen von den zahlreichen Verhaftungen infolge des Ausnahmerechts gelähmt worden. Wirtschaft und Regierung haben weiterhin ein Interesse an geregelten Verhandlungsstrukturen, so daß die Gewerkschaften weiter Versammlungen abhalten und landesweit Kampagnen organisieren können. So geht es im Arbeitskampf nicht mehr nur um die Verbesserung von Lohn– und Arbeitsbedingungen, um Kündigungs– und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Immer deutlicher fordern Gewerkschafter sowohl die Abschaffung der Apartheid als auch eine grundsätzliche Veränderung des Wirtschaftssystems. Der Druck, sich politisch zu engagieren, ist für die Gewerkschaften allerdings auch problematisch. Mit der Unterstützung der Forderung nach Sanktionen und Disinvestierung als „Formen internationalen Drucks auf das südafrikanische Regime“ entzieht sich COSATU die eigene Basis. Tatsächlich sind aufgrund dieser Maßnahmen schon Gewerkschaftsmitglieder arbeitslos geworden. Dennoch bestätigen Gewerkschaftsvertreter immer wieder ihre Unterstützung für Sanktionen, suchen jedoch gleichzeitig einen Ausweg aus dem Dilemma. So betont zum Beispiel Chris Dlamini, COSATU–Vizepräsident, daß Disinvestierung zwar gewünscht wird. Eine ausländische Firma solle jedoch vor ihrem Rückzug aus Südafrika mit den Gewerkschaften über die Modalitäten eines solchen Rückzugs verhandeln.
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