: Allzu modisch und gefällig
betr.: „Mythen für die Oberstufe. Was haben die 68er eigentlich hervorgebracht?“ von Franz Walter, taz.mag vom 1./2. 7. 06
Walters bissiger Verriss der 68er korrigiert viele Mythen und erklärt auch manches auf überraschend neue Weise. Umso bedauerlicher, dass in dieser Analyse nicht ein einziges Mal auf eine der Hauptursachen der damaligen Wut hingewiesen wird: den Vietnamkrieg und das damit verbundene Interesse für all das, was „der Westen“ mit dem Rest der Welt angestellt hatte und weiter anstellt.
Der „Lusitanische Popanz“ von Peter Weiß, der Mitte der 60er-Jahre in Berlin uraufgeführt und in dem dieser hinter humanistischen Floskeln verborgene Kolonialismus vorgeführt wurde, war mein prägendes Erlebnis, das mich wie viele andere in die APO getrieben hat. Daher kam unser höhnischer Spott auf die demokratischen Floskeln und die freiheitliche Verfassung, die von den Befürwortern des Vietnamkriegs und später Pinochets täglich mit Füßen getreten wurde! Die Geschichte der 68er ohne den Hintergrund Vietnamkrieg zu erzählen macht diese Kritik dann doch allzu modisch und gefällig. Warum wird ausgerechnet dieser immer aktueller werdende Teil der damaligen Rebellion heute von einem Politikwissenschaftler „vergessen“? MICHAEL WILKENS, Alt-68er, Kassel