■ Alles Quark mit dem Bazillus im Park: Begrünter Operationssaal
Der altehrwürdige Schloßpark Sanssouci in Potsdam sah aus wie ein gigantischer Operationssaal. Dort, wo sich dereinst Flötenkönig Friedrich der Zweite unter Bäumen lustwandelnd erging, watschelte am vergangenen Donnerstag anscheinend das gesamte OP- Personal der Bundesrepublik, unschwer zu erkennen an den typischen Sterilüberschuhen aus Plastik.
Oder etwa doch nicht? 90 Prozent der ParkbesucherInnen dieses Tages hatten sich die „Parkschoner“ von einer Truppe selbsternannter „Parkschützer“ aufnötigen lassen. Per Flugblatt wurde ihnen die „Verordnung zum Anlegen von Immun-Schutzbezügen vom 05. 07. 1995 (Vgn Na/Gr 57 95 127/2)“ in die Hände gedrückt, die die „Stiftung Preußische Schlösser und Gärtenschutz“, Herrscherin über alle feudalen Anlagen in Berlin und Brandenburg, erlassen hatte.
Anlaß: Die „Abwehr eines drohenden Vegetationssterbens sowie zur Eindämmung von schädlichen Einflüssen humanen Ursprungs in den Parkanlagen“. Anlaß des Anlasses: Der grassierende „Pflanzenbazillus floraglittus veg. epidermica , welcher bedingt durch die gegenwärtig anhaltende Hitze und damit verbundene Ozonkonzentrationen von der Bitumenschicht des Asphalts durch Menschen über das Schuhwerk in die Parkanlagen übertragen wird“ und „bei der empfindlichen Parkvegetation große Schäden verursachen kann.“ Denjenigen, die „dieser Aufforderung nicht Folge leisten“, wurden im Flugblatt „Zwangsmaßnahmen zum Schutze der Parkanlagen“ angedroht.
Man ahnt es schon: Die Parkschützer waren gar keine, sondern Jungs und Mädels vom Berliner Büro für ungewöhnliche Maßnahmen, die damit auf den „Kleingeist preußischer Parkschutzmentalität“ hinweisen wollten. Anlaß: Im Rahmen des sogenannten Eutopia-Festivals hatte die Stiftung Schlösser und Gärten die Plazierung künstlerischer Arbeiten im Schloßpark Sanssouci verboten. Anlaß des Anlasses: Auch das Büro für ungewöhnliche Maßnahmen durfte nix ausstellen. „Denkmalpflege darf keine Grabmalpflege sein. Wir sind überhaupt nicht gegen Denkmalpflege, sondern nur gegen ihre rigorose Handhabung um ihrer selbst willen“, befand das Berliner Büro ein klein bißchen beleidigt.
Die wahre Stiftung Preußische Schlösser war noch viel beleidigter. „Wir fanden die Aktion nicht besonders witzig“, kommentierte die Pressesprecherin. Den eigentlichen Grund für die Aktion, die in Potsdam zum Stadtgespräch und Stadtgespött wurde, wußte die Desinformierte indes nicht zu benennen: „Das war doch wegen der Verbotsschilder, glaube ich. Aber wir brauchen doch unsere Parkordnung!“
Der Pressesprecherin war ebenfalls entgangen, daß die Operation Kunstfreiheit noch eine kleine Fortsetzung gefunden und inzwischen eben doch moderne Kunst ihren Einzug in den musealen Schloßpark gefunden hatte. In den Bäumen unterhalb der Orangerie hing plötzlich ein großes neonfarbenes Herz – genau in Zielrichtung des benachbarten steinernen Bogenschützen.
Der holländische Künstler Aja Waalwijk von der Amsterdamer Ballon-Gesellschaft hatte es dort angebracht – als Abschiedsgeschenk der Eutopia-KünstlerInnen. „Wo bitte genau?“, fragte die entgeisterte Pressesprecherin. „Da muß ich doch mal nachgucken.“
Kurt Jotter vom „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ will nun bei der Stiftung Schlösser und Gärten sowie der Stadtregierung und der Landesregierung Brandenburg beantragen, das Herz „als modernes Wahrzeichen Potsdams“ zu erhalten. Ute Scheub
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