■ AllergikerInnen: Nie wieder in die plüschige Lieblingspension?
Der ärztliche Befund ist ein Schlag für Sibylle Zinkgräf: Sie hat Asthma und eine Hausstauballergie. Daß sie ihre Wohnung und vor allem das Bett allergiegerecht „umrüsten“ muß, ist klar. Aber was ist mit dem Urlaubsziel? „Werde ich in meine plüschige Lieblingspension fahren können?“
Bremer Einrichtungen, AOK und HKK etwa, bieten nur allgemeines Informationsmaterial an. Tips für die Urlaubsreise kommen darin kaum vor. „Für die medizinische Seite sind die Ärzte zuständig“, heißt es bei den Kassen.Die „medizinische Seite“ lacht darüber spontan: „So wird uns die Verantwortung zugeschoben“, sagt Maria Brau, Mitarbeiterin der Bremen-Norder Lungenfachärztinnenpraxis von Cornelia Selke-Seehafer. Hier erhalten PatientInnen zwar zum Beispiel die Broschüre „Reisen nach Luft und Laune“, aber kein Herbergenverzeichnis. Wohin also? Auf diese Frage antworten Bremer Ärzte, Kassen oder Gesundheitsladen alle mit demselben Tip: „Fragen Sie doch beim Deutschen Allergiker- und Asthmatikerbund an.“
Und wirklich, endlich lohnt sich das Telefonat für Sibylle Zinkgräf. „Der waschbare Matratzenbezug und das Kopfkissen gehören ins Gepäck, das nimmt ja nicht so viel Platz weg“, rät die dortige Mitarbeiterin Andrea Wallrafen. Sie gibt auch Kriterien an die Hand, nach denen Unterkünfte betrachtet werden sollten – sogar solche Herbergen, die von den Kurverwaltungen, der Vermittlerin schlechthin, als „allergiegerecht“ eingestuft sind.
„Der klinische Fliesenboden und der Verzicht auf Gardinen in der Ferienwohnung ist nämlich fast sinnlos, wenn die Matraze nicht in Ordnung ist“, weiß Andrea Wallrafen und weist auf Untersuchungen hin, die belegen, daß das in Hotels beispielsweise selten der Fall sei. Hauptproblem Nummer zwei sind die Belüftungsanlagen. „Wenn deren Filter nicht regelmäßig gewechselt werden, sind abwaschbare Tapeten und Sitzmöbel auch egal.“ Hinzu komme, daß „Allergieunterkünfte“ auch an NichtallergikerInnen vermietet würden – an Hundehalter beispielsweise oder an RaucherInnen.
„Lieber lasse ich meine Allergiker-Ferienwohnung leerstehen“, sagt dagegen Vermieter Lunz aus Bensersiel. Aber das sei eben sehr oft der Fall und deshalb ein Problem – eines, für das er keine Erklärung findet. Ebensowenig wie Hildegund Oswald, die ihr Ferienhaus in Norddeich sogar „schön wohnlich“ mit Parkett ausgelegt hat. Beide sind umso ratloser als sie immerhin in Deutschlands einziger Broschüre verzeichnet sind, die Hotels und Ferienwohnungen für AllergikerInnen auflistet. Eine Lehrerin, Heide Klose aus Berlin, hat sie in unbezahlter Kleinarbeit hergestellt: Über 200 Unterkünfte im In- und Ausland verzeichnet die Broschüre im Self-Made-Format.
Mangel an Nachfrage? Das kann Andrea Wallrafen vom Allergikerbund kaum glauben: „25 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Allergien. 10 Millionen davon achten sehr auf das Umfeld in dem sie sich bewegen, auch auf ihre Ferienunterkünfte.“ Sie vermutet, daß der Branche schlicht das Marketing fehlt. „Auf diesem Gebiet stecken wir noch in den Kinderschuhen – aber so wie die Allergien zunehmen, wird das bald besser“. ede
Deutscher Allergiker- und Asthmatikerbund, Tel. 02161/183024
Unterkunftsverzeichnis erhältlich über Heide Klose, Orchideenweg 114, 12357 Berlin (gegen 10 Mark inkl. Porto)
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