Alkoholikerdrama in der "ARD": Der Suff der alten Dame
"Wie ein Licht in der Nacht" zeigt voller Kitsch den Weg in die Alkoholsucht. Grandios jedoch, wie die Grande Dame Hörbiger ihr Innerstes nach außen kehrt.
Wenn das Erste an einem Dienstagabend einen Film aus der Schmonzettenschmiede Degeto zeigt, ist das normalerweise kaum eine Zeile wert - in den meisten Fällen läuft Christine Neubauer durch eine Schema-F-Geschichte mit Happy End, und das war's. Das heute ausgestrahlte Alkoholikerdrama "Wie ein Licht in der Nacht" mit Christiane Hörbiger hält dagegen zumindest eine Überraschung bereit: Regie führte der für hohe Aufgaben qualifizierte Florian Baxmeyer.
Dessen Karriere begann 2003 mit einem Knall: Für seinen Abschlussfilm "Die rote Jacke" erhielt er einen Studenten-Oscar und wurde für den Oscar in der Kategorie "Bester Kurzfilm" nominiert. Das ist zwar schon ein paar Jahre her, aber Baxmeyer genießt seitdem den Ruf eines Hoffnungsträgers des deutschen Films. Mit starken Arbeiten wie dem experimentellen Hamburger "Tatort: Häuserkampf" (2009) wurde er den Erwartungen gerecht, enttäuschte aber auch in einigen Fällen, zum Beispiel mit dem bizarren Abenteuerzweiteiler "Das Blut der Templer" (2004). Es ist fraglich, ob ausgerechnet die Degeto jetzt die richtige Adresse für den ambitionierten Regisseur ist.
"Sender, Sendeplatz und Produktionsfirma sind mir nicht so wichtig", sagt Baxmeyer. "Das Entscheidende ist zunächst das Buch, und von dem war ich sofort begeistert, denn es erzählt stimmig von den Ritualen einer Alkoholikerin. Mir hat gefallen, dass die Geschichte auf einer scheinbar perfekten Oberfläche beginnt, von der es bergab geht."
Das Buch, das Baxmeyer zur Verfilmung angeboten wurde, stammt von dem renommierten Autor Thorsten Näter, einen Absturz erlebt darin die Maklerin Carla Binder (Christiane Hörbiger). Die Karrierefrau hat Freunde und Familie immer vernachlässigt und muss nach dem Eintritt ins Rentnerleben feststellen, dass sie allein ist. Mit Sprit bekämpft sie den Kummer und landet mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus. Der Einzige, der Hilfe anbietet, ist ihr Hausmeister (Klaus J. Behrendt), ein trockener Alkoholiker.
Klingt erst mal gar nicht so schlecht, aber der Film löst vor allem in der ersten Hälfte starke Ausschaltimpulse aus. Dabei sind die Hochglanzästhetik, die Dudelmusik, der niedliche Hund, das niedliche Kind und die völlig ohne Überraschungen erzählte Story noch nicht mal das Schlimmste. Geradezu nervtötend sind die immer aufdringlich in Szene gesetzten Champagner- und Cognacflaschen. Als kapierten die Zuschauer sonst nicht, dass die Frau hier gerade ein massives Alkoholproblem entwickelt. Sogar die Dose mit den für Alkoholiker obligatorischen Pfefferminzpastillen ist Baxmeyer eine eigene Einstellung wert, und wenn Frau Binder beim Kaffeetrinken mit den Händen zittert, darf das natürlich auch nicht in einer Totalen untergehen. Das Ganze hat lange Zeit etwas von einem gut gemeinten Aufklärungsfilm für Menschen mit langer Leitung.
Den Teufel aus dem Leib vertreiben
Und dann kommt plötzlich doch noch die eine ganz große Szene: Carla Binder entscheidet sich zum Entzug - und die 72-jährige Christiane Hörbiger spielt grandios auf: leichenblass, mit verfilzten Haaren, zitternd und schwitzend vertreibt sie im Klinikzimmer den Teufel aus ihrem Leib. Es ist die perfekte Dekonstruktion: Ausgerechnet die Grande Dame Hörbiger wird hier zum jämmerlichen Häuflein Elend. Und das in Nahaufnahmen, die keine Eitelkeit zulassen. Hier ist es mal richtig, mit der Kamera ganz dicht ranzugehen.
"Mit dieser Schauspielerin eine Reise ins Verderben anzutreten fand ich spannend", sagt Baxmeyer. "Ich wollte zeigen, dass der Entzug eine fürchterliche, körperliche Geschichte ist, und zum Glück war Christiane Hörbiger bereit, dafür ihr Innerstes nach außen zu kehren. Es waren nur ganz wenige Leute am Set, auch jemand, der in einer solchen Einrichtung arbeitet. Wir haben die Kamera lange laufen lassen, ich habe mir von dem Experten bestätigen lassen, dass wir die Realität treffen."
Diese Szenen überzeugen; von den restlichen 86 Minuten lässt sich das leider nicht sagen. Baxmeyer scheint - obwohl er das Gegenteil versprochen hat - hier doch zu viel Rücksicht auf den Aufraggeber und den Sendeplatz genommen zu haben.
Dienstag, 20.15 Uhr, ARD
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